Dem Ahnherrn ähnlicher

Diese "Rückschrittlichkeit" könnte möglicherweise mit dem Urwald zusammenhängen.

Wenn der Schimpansen-Ahne, der sich da vom Menschenstamm gelöst hatte (oder umgekehrt!), ein reiner Urwaldbewohner gewesen sein sollte, dann waren seine Nachkommen im dichten Busch des südlichen Kongobogens zu weitaus weniger Veränderungen gezwungen als seine Nachkommen auf der anderen Flußseite und im übrigen Afrika. Denn dort breiten sich Savannen aus, an die sich die Schimpansen anpassen mußten. Anpassungen an andere Lebensumstände bringen immer auch körperliche Veränderungen mit sich. Jedenfalls ist der Bonobo heute eindeutig die mehr "zurückgebliebene" der beiden Schimpansen-Arten. Eben deshalb ist er uns ähnlicher.

Das bedeutet zugleich, dass der kleine Bonobo auch dem gemeinsamen Ahnen der beiden Schimpansenarten und des Menschen ähnlicher ist. Da kann man nun ins Phantasieren kommen. Vor allem, wenn man bedenkt, dass auch die längst ausgestorbene Ur-Menschenform Australopithecus so klein und zierlich wie der Bonobo war. Allerdings hatte der Australopithecus ein größeres Gehirn und keine Affen-Reißzähne; auch lebte er im offenen Gelände. Immerhin: Sie waren sich ähnlich! Doch wer weiß, vielleicht haben die Australopithecinen-Horden die lieben Verwandten aus dem Tierreich schon genauso gejagt und aufgegessen, wie es die Pygmäen im Kongo-Urwald taten. Auch sie sind ja das Ergebnis einer genetischen Insel. Allerdings haben sie sich nicht vom Menschenstamm fortentwickelt.

Affen

Wie seit Jahrmillionen bildet der tropische Urwald am Äquator den besten Schutz für den Bonobo. Theoretisch hat der Staat Zaire den Bonobo zwar geschützt (er darf auch nicht ausgeführt werden). Doch viele eingeborene Jägergruppen leben nun einmal von allem, was sie mit ihren Pfeilen treffen können - also auch von Bonobos. Diese Jagd wird das Tier allerdings nicht ausrotten. Weit gefährlicher sind die Überlegungen von Medizinern, dass der Bonobo wegen seiner Blutgleichheit das ideale Versuchstier ist für alle medizinischen und pharmazeutischen Tests, die man aus humanitären Gründen nicht am Menschen ausstellen kann. Leider geht die Humanitas nicht so weit, dass der Mensch auch Ehrfurcht vor seinem allernächsten Verwandten hat.

Zoo-Beobachtungen haben ergeben, dass sich der kleine, schlanke und im Vergleich zum großen Schimpansen nur halb so schwere Zwergschimpanse selbst als ein anderes Tier zu fühlen scheint. Bei dicht benachbarten Schimpansen und Zwergschimpansen springen die Aufregungen keineswegs von Käfig zu Käfig über - dem Bonobo sind die Großschimpansen recht gleichgültig. Nur wenn das ganze Affenhaus tobt, stimmen auch die Bonobos mit ihren schrillen Vogelstimmen ein. Normales Schimpansengebrüll bringt sie nicht zum Mitschreien - es ist gewissermaßen eine Fremdsprache für sie. Bei der biologischen Bedeutung, die alle Lautäußerungen von sozial lebenden Tieren haben, ist es im Ernstfall fast immer wichtig, aufzumerken, wenn ein Artgenosse brüllt. Für den Bonobo sind die Schimpansen aber eben nicht so wichtig, dass er sofort herbeigerannt käme, wenn sich ein Nachbar aufregt.