Ein Berg- und Waldgeist

Im Lateinischen fällt die sprachliche Verwandtschaft von vulpes (Fuchs) und lupus (Wolf) auf. Sie spiegelt die Tatsache wider, dass beide dem Geschlecht der Hunde angehören und nach dem Glauben der Vorzeit miteinander gekreuzt werden konnten, um so den Luchs zu zeugen. Beide gehören zum ältesten Bestand der Fabeltiere.

Raubtiere
Fuchs

Die indogermanische Sprachverwandtschaft ging in unsere Sprache ganz auf den Wolf über; das lateinische "vulpes" und das deutsche "Wolf" stehen in enger Verbindung. Für den Fuchs trifft das nicht zu. Hier hat man durch einen Vergleich mit slawischen Sprachen entdeckt, dass irgendwann in grauer Vorzeit der buschige Schwanz herhalten mußte, um den deutschen Namen "Fuchs" zu bilden: "Der Buschige".

Dieser Sprachwandel war beileibe keine Willkür, sondern ein Zeichen dafür, dass der lateinisch klingende Name für unser Raubtier einmal tabu wurde und durch einen harmloseren Namen ersetzt werden mußte. Dieses Tabu setzt voraus, dass man sich unter dem Fuchs etwas so Dämonisches, ja Teuflisches vorstellte, dass man nicht wagte, seinen eigentlichen Namen auszusprechen. Darum muß man ihn "Gevatter", "Langschwanz" oder "Holzhund" nennen; Schweden sagen "bläfot" (Schwarzfuß) oder "Skoggängare" (Waldgänger). Und auch die Redensart "Wenn man den Fuchs nennt, so kommt er gerennt" stammt aus jener Zeit: Um ihn fernzuhalten, mußte man den Namen umschreiben.

Nach dem Volksglauben war der Fuchs damals ein Berg- und Waldgeist. Hexen nahmen Fuchsgestalt an und konnten durch Zauber Menschen in Füchse verwandeln.

Der berühmteste literarische Gauner trägt den italienischen Namen für den Fuchs: "Volpone". Es ist ein Geschöpf des Engländers Ben Jonson, eines Zeitgenossen der ersten Elisabeth. Von unseren klassischen Dichtern hat Schiller als der moralischere das Bild des verschlagenen Fuchses lieber gebraucht als sein Musenfreund Goethe; ja, er hat sogar mit der Gestalt des Octavio Piccolomini diesem Charakterzug einen besonders einprägsamen Ausdruck verliehen. So lässt er Terzky zu Wallenstein sagen:

Doch wollt' ich, dass du dem Octavio, dem Fuchs, nicht so viel trautest!