Nur der Rudelchef trägt den Schwanz hoch

Der Wolf ist jenes Raubtier, das beim Menschen die meisten Emotionen hervorruft. Seit der Grimmsche Märchenwolf die Großmutter samt dem Rotkäppchen fraß, seit in vielen Trappergeschichten wilde Wolfsrudel die Menschen verfolgten, waren die Leute nicht mehr gut auf Isegrim zu sprechen.

Wolf
Raubtiere

Doch ist dem Wolf heute auch eine zoologische Lobby zugewachsen, die ihn unerschrocken verteidigt und stets, was auch geschieht, auf Freispruch plädiert - wie erst jetzt wieder bei den Ereignissen im Bayerischen Wald.

Daß der Mensch den Wolf nicht ohne Anteilnahme ansehen kann, ist klar; denn er hat in ihm den Stammvater all der lieben Haushunde vor sich, die heute Millionen von Familien bereichern. Wenn allerdings der Besitzer eines Schäferhundes im Münchener Zoo Hellabrunn das Wolfsrudel im Gehege betrachtet, wird er mißbilligend den Kopf schütteln. Kein Wolf würde bei einer Hundeausstellung einen Preis bekommen. Seine geduckte Haltung (die der Menschenunverstand "feige" nennt), der stets zwischen die Beine geklemmte Schwanz ("unedle Haltung"), das etwas fahrige, unstete Wesen ("kein Charakter") würde keinem Hunderichter gefallen, der von einem Schäferhund edle Größe, heroische Haltung und Treue bis zum Tod erwartet. So betrachtet muß man sich allerdings der Verwandtschaft aus der freien Wildbahn schämen.