Halbzahme Gehegetiere eignen sich nicht
Von dieser sehr unfreiwilligen "Aussetzung" von Gehegewölfen muß man einige Erfahrung für die Zukunft ableiten, wenn es um die Wiedereinbürgerung solcher Raubtiere gehen soll.
Wieder einmal hat sich bestätigt, dass halbzahme Gehegetiere für eine erfolgreiche Aussetzung in die freie Wildbahn ungeeignet sind. Zwar sind Wölfe bei einem reichlichen Wildbestand durchaus in der Lage, sich Beute zu verschaffen, doch sind sie mit dem großen Nachteil behaftet, dass sie den Menschen nicht mehr fürchten. Sie treiben sich in Ortsnähe herum, suchen sogar Kontakt mit den Menschen, und aus solchen Situationen entstehen mit ziemlicher Sicherheit Unfälle, weil natürlich auch der Mensch solchen "freundlichen Tieren" gegenüber die Vorsicht vergißt. Im übrigen muß auch grundsätzlich gefragt werden, ob es für das Lauftier Wolf (bis zu 60 km in einer Nacht!) heute noch Reviere gibt, die groß genug sind, um diesem Geschöpf Lebensraum zu geben.
Dieser muß dem Wolf von der im Revier wirkenden Jägerschaft ebenfalls zugestanden werden-, man muß diesem Raubtier die gerissenen Rehe gönnen, denn andernfalls wäre leicht vorherzusagen, dass ein Wolf nach dem anderen als "wildernder Hund" abgeschossen würde.
So ist auch in der Geschichte der Wiedereinbürgerungsversuche von Raubtieren der Wolf bisher nicht vertreten. Zwar soll, wie Günther Niethammer in seinem Buch "Die Einbürgerung von Säugetieren und Vögeln in Europa" angibt, im 15. Jahrhundert der Plan bestanden haben, Wölfe in Südengland auszusetzen, doch scheint es nicht dazu gekommen zu sein. Der Wolf ist ein Tier, das die Menschen vergangener Jahrhunderte lieber gehen als kommen sahen; niemand verfiel auf die Idee, diesen "Mörder" in der heimischen Flur anzusiedeln. Heute steht man zwar anders zu dieser Frage, doch die Schwierigkeiten sind nach dem bayerischen Debakel eher noch größer geworden.
- Große Chancen, Wölfe zu hören oder sogar zu sehen, hat man als Tourist im ostkanadischen Algonquin-Park. Dort gibt es - bezogen auf den Quadratkilometer - vermutlich mehr Wölfe als sonst irgendwo auf der Welt. Die Rudel umfassen jeweils ein halbes Dutzend bis zehn Tiere. Beliebt ist, vor allem bei amerikanischen Autobustouristen, das" Public Wolf Howling" das öffentliche Wolfsgeheul. Der Bus hält an einer geeigneten Stelle, man steigt aus, der Parkwächter stellt sich auf und beginnt, hohe und klagende Töne auszustoßen - Wolfsrufe. Meist dauert es nicht lange, bis aus der Ferne ein Wolf oder mehrere antworten, denn das ist ihre Art, untereinander Kontakt zu halten. Nach mehrfachen Wiederholungen, die von den Gästen verdutzt zur Kenntnis genommen werden, ereignet sich in der Regel das, was man nun wirklich als" öffentliches Wolfsgeheul" bezeichnen müßte: Die gesamte Autobusbesatzung beginnt, schrecklich und in allen Tonarten zu heulen. Der Drang zur Nachahmung scheint unwiderstehlich. Was die Wölfe dazu meinen, ist nicht bekannt.
