Im Januar ereignete sich die Katastrophe

Am 28. Januar 1976, gegen 15 Uhr, ereignete sich dann am Wolfsgehege im Nationalpark jener unglückliche Fall, der wochenlang die Presse, die Jägerschaft und eine Abordnung des Bundesgrenzschutzes beschäftigt hat.

Durch eine Schneefräse, die einen unsäglichen, für Wolfsohren unerträglichen Lärm macht, wurden die Tiere so in Panik versetzt, dass acht Wölfe den Zaun des rund 60 000 Quadratmeter großen Schau- und Forschungsgeheges durchbrachen und sich in alle Richtungen zerstreuten. Einige der Tiere hielten sich anschließend im bayerisch-tschechischen Grenzbereich auf und ernährten sich von gerissenen Rehen. Schon in der Nacht vom 29. auf den 30. Januar wurde der erste Ausreißer von einem Jäger bei Frauenau erschossen, ein weiterer am 25. Februar in Pischendorf, Landkreis Schwandorf. Die Gutachten führender Zoologen, dass wilde Wölfe nicht gefährlich seien, und auch das Eintreten des "Bundes für Naturschutz in Bayern" führten dazu, dass der bayerische Innenminister die Tötungsanordnung wieder aufhob. Die halbzahmen Gehegewölfe zeigten wenig Scheu vor den Menschen, wurden zuweilen am hellen Tag in Ortschaften gesehen und nahmen auch ausgelegtes Futter an. Da passierte es, dass zwei Buben mit solchen halbzahmen Wölfen zusammentrafen und einer von ihnen von einem spielerisch-neugierigen Tier gebissen (eigentlich mehr gekniffen) wurde. Nachdem sich anfangs die Presse mit übertriebenen Falschmeldungen überschlagen hatte, blieb von diesem Unfall kaum mehr als der Schrecken übrig. Immerhin: Einer der ausgekommenen Wölfe hatte einen Menschen leicht verletzt. Damit war das Todesurteil über die restlichen Ausreißer gesprochen.

Wolfwelpen
Bei den Wölfen helfen die Männchen den Weibchen, sich um den Nachwuchs zu kümmern, für die Jungen zu sorgen und sie zu füttern. So bringen zum Beispiel beide Eltern (die bei den Wölfen übrigens meist in langjähriger Einehe leben) Fleisch für die Jungen. Das besteht entweder aus Brocken, die sie im Maul anbringen, oder sogar aus gefressenen und vorverdauten Fleischstücken, die sie wieder herauswürgen. Es gibt viele Säugetiere, bei denen die Männchen durchaus keine Beziehung zu ihren Kindern haben und - wenn die Mutter nicht tatkräftig Einspruch erheben würde - liebend gern die eigenen Jungen auffräßen. Bei Wölfen ist dies nie der Fall. Männlichen Wölfen ist, auch wenn sie großen Hunger haben, eine sehr starke Hemmung eigen, die sie davon abhält, dem Nachwuchs etwas anzutun. Die Sozialordnung der Wolfsgemeinschaft führt sogar dazu, dass andere, derzeit ungepaarte Wölfe, sich daran beteiligen, fremden Jungen Futter zu bringen - anstatt sie, was man sonst erwarten würde, aufzufressen. Der überaus festgefügte Sozialverband eines Wolfsrudels kennt sogar eine Einrichtung, die unserem Kindergarten ähnelt: Wenn die Mutter eines Wurfs wieder mit dem Rudel auf Jagd geht, werden ihre Jungen oft von einem anderen Tier gehütet. Die heranwachsenden Wölfe lernen dann mit dem Rudel, wie man jagt. In den ersten Lebensmonaten sind sie aber genauso verspielt wie unsere Haushunde.
Raubtiere