Das Eichhörnchen

Autor: Friedrich Hebbel

Wir haben ein kleines Eichkätzchen, das uns allen unendliche Freude macht.

Tiergeschichten

Wir drei - ich, meine Frau und das Kind - können mit ihm machen, was wir wollen. Es läßt sich alles gefallen, im Schlaf wie im Wachen. Aber wenn eine der Mägde sich ihm nähert oder es gar berührt, weist es sie durch die possierlichsten Töne des Unwillens und des Zorns zurück, und wenn das nicht hilft, bedient es sich seiner Zähnchen.

Größer geworden, nahm es, wie es mir des Morgens immer ins Bett gebracht wurde, regelmäßig an unserem Abendessen teil, kostete überall, speiste auf das zierlichste, trug in den ersten anderthalb Jahren, später nicht mehr, Nüsse und Zucker beiseite, schleppte oft eine ganze Semmel den Fenstervorhang hinauf und versteckte sie oben in der Brüstung, glitt dann wieder herunter, knäulte die Servietten in seinem Mäulchen zusammen, trug sie, eine nach der anderen, in den Schoß meiner Frau, stürzte sich zuletzt selbst hinein und bedeckte sich damit.

Dagegen sang es in der Frühe, beim Kaffee, so lieblich wie ein Vogel und modulierte die Stimme auf das mannigfaltigste. Wenn das Stück Zucker, das es zu seiner Semmel erhielt, zu groß war, trug es den Rest selbst in den Zuckerkasten zurück und vergrub ihn unter dem anderen Zucker. Dreimal war es mit in Gmunden. Dort schlief es das erste Jahr in seinem Käfig, der nachts vor meinem Bett stand und aus dem es des Morgens, die kleinen Arme auf die Tür gestützt, wie ein Müllerknappe hervorschaute, später in einem Wandkorb, auf den es gleich wieder zustrebte, als wir zurückkehrten. Setzte ich es in einen Baum, so kletterte es hinauf, sah sich um, probierte eine Zwetschge, betrachtete die Vögel, die es verwundert umkreisten, und glitt dann in meine Hand zurück. Setzte es sich auf die Erde, so hüpfte es auf dem gebahnten, mit Sand bestreuten Wege mit unendlicher Eile ins Haus zurück.

Mit diesem lieben Tierchen teile ich eben eine Haselnuß. Es hält sie im Mäulchen, ich beiße die Hälfte ab, es läßt es ruhig geschehen. Kann es weitergehen?

Wenn das Eichkätzchen reden könnte, welche wunderlichen Gedanken über Sonnenschein und Duft würden wir vernehmen? Wenn Du mich jetzt schreiben sähest, würdest Du Deinen Spaß daran haben. Mein kleines Eichkätzchen will den Brief durchaus nicht zustande kommen lassen. Bald zupft es an der Feder, bald hüpft es über das Papier, und wenn ich das Tintenfaß nicht immer zudeckte, würde es gewiß seine Pfötchen hineintauchen und Dir ein Autograph mitschreiben. Hast Du je ein solches Tierchen in der Nähe gehabt? Ich kenne nichts Anmutig-Possierlicheres; wir haben das unsrige schon zwei Jahre, und es macht uns sehr viel Vergnügen, denn es ist so zahm, daß es die Hand leckt und hinterherläuft wie ein Hündchen. Der gestrige Tag war ein sehr trauriger für uns alle; unser Liebling ist verschieden, kaum drei Jahre und einige Monate alt. Erst zwei Tage bin ich von einer Reise zurück, alle meine kleinen Zwecke habe ich erreicht, eine neue, schönere Wohnung hat mich empfangen, aber ich wollte, das alles wäre anders und das liebe Geschöpf lebte noch. Wieder etwas vorüber, und diesmal etwas Himmlisch-Schönes, das so nicht wiederkehrt!

Das Tier war so einzig, daß es jedermann wie ein Wunder vorkam und mir wie eine Offenbarung der Natur. Ich werde nie wieder eine Maus oder auch nur einen Wurm zertreten, ich ehre die

Verwandtschaft mit dem Entschlafenen, sei sie auch noch so entfernt, und suche nicht bloß im Menschen, sondern in allem, was lebt und webt, ein unergründliches göttliches Geheimnis, dem man durch Liebe näherkommen kann.

So hat das Tier mich veredelt und meinen Gesichtskreis erweitert. Wenn ich nun aber gar die Unsumme von Freude und Heiterkeit aufzählen sollte, die es für seine paar Nüsse und seinen Fingerhut voll Milch ins Haus brachte, so würden wir wie arme Schlucker dastehen, die ihre Schuld nie bezahlen können.