Wurm der Otter

Autor: Marschall Chrysostomus Passek

Im Jahre 1686, als ich in Ozowka wohnte, kam Herr Straszewski mit einem Brief zu mir; der Kronstallmeister hatte geschrieben und mich ersucht, dem König meinen Fischotter als Geschenk zu bringen, was mir durch allerlei Gnadenbezeigungen würde vergolten werden. Ich mußte mich zur Herausgabe meines Lieblings bequemen.

Tiergeschichten

Wir tranken Branntwein und begaben uns auf die Wiesen, weil der Fischotter nicht zu Hause war, sondern an den Teichen umherkroch. Ich rief ihn bei seinem Namen "Wurm"; da kam er aus dem Schilf hervor, zappelte um mich herum und ging mit mir in die Stube. Straszewski war erstaunt und rief: "Wie lieb wird der König das Tierchen haben, da es so zahm ist!"

Ich erwiderte: "Du siehst und lobst nur seine Zahmheit; du wirst aber noch mehr zu loben haben, wenn du erst seine anderen Eigenschaften kennst."

Wir gingen zum nächsten Teich und blieben auf dem Damm stehen. Ich rief: "Wurm, ich brauche Fische für die Gäste, spring ins Wasser!" Schon sprang er hinein und brachte zuerst einen Weißfisch heraus. Als ich zum zweitenmal rief, brachte er einen kleinen Hecht, und zum drittenmal einen mittleren Hecht, den er am Hals verletzt hatte.

Straszewski schlug sich vor die Stirn und rief: "Bei Gott, was sehe ich?"

Ich fragte: "Willst du, daß er noch mehr holt? Er bringt so viele, bis ich genug habe." Straszewski war vor Freude ausser sich, denn er hoffte, den König durch die Beschreibung jener Eigenschaften zu überraschen. Ich zeigte ihm deshalb vor seiner Abreise alle Eigentümlichkeiten des Tieres.

Mein Fischotter schlief mit mir auf dem nämlichen Lager und war so reinlich, daß er weder das Bett noch das Zimmer beschmutzte. Er war auch ein guter Wächter. In der Nacht durfte sich niemand meinem Bett nahen; kaum daß er dem Burschen erlaubte, mir die Stiefel auszuziehen. Dann durfte jener sich aber nicht mehr zeigen, sonst erhob das Tier ein Geschrei, daß ich selbst aus tiefstem Schlaf erwachen mußte. Wenn ich früh noch betrunken war, trat der Otter so lange auf meiner Brust herum, bis ich erwachte.

Am Tage lag er in irgendeinem Winkel und schlief so fest, daß man ihn auf den Armen herumtragen konnte, ohne daß er die Augen öffnete. Wenn mich aber jemand am Rock faßte und ich rief: "Er berührt mich!", so sprang er mit einem durchdringenden Schrei hervor und zerrte jenen an den Beinen und Kleidern wie ein Hund.

Er liebte einen zottigen Hund, der Korporal hieß. Von dem hatte er all jene Künste erlernt; denn er hielt Freundschaft mit ihm und war in der Stube und auf Reisen stets bei ihm. Dagegen vertrug er sich mit anderen Hunden gar nicht. Einst stieg Stanislaus Ozarawski nach einer gemeinschaftlichen Reise bei mir ab. Wurm, der mich drei Tage lang nicht gesehen hatte, begrüßte mich freudig und konnte sich in Liebkosungen nicht genug tun. Der Gast hatte einen sehr schönen Windhund bei sich und sagte zu seinem Sohn: "Samuel, halt den Hund, damit er den Fischotter nicht zerreißt!"

"Bemühe dich nicht', rief ich, "dies Tierchen, so klein es auch ist, duldet keine Beleidigung."

"Wie! Du scherzest!" erwiderte er, "dieser Hund packt jeden Wolf, und ein Fuchs atmet nur einmal unter ihm."