Die Altwelt-Geier haben keine gute Nase

Wenn man ein solches Schauspiel beobachtet, so stellt sich natürlich die Frage, wie wohl die Geier ein Aas finden.

Wenn man daran denkt, wie stark der Verwesungsgeruch eines Kadavers ist, so liegt es nahe zu glauben, dass die Geier mit dem Geruchsinn ihre Nahrung finden. Versuche ergaben jedoch, dass der Aasgeruch für die Geier der Alten Welt - in Europa, Asien und Afrika - keine Signalwirkung besitzt. Diese Vögel verfügen offensichtlich nur über einen schwachen Geruchsinn. Anders ist dies bei den Neuweltgeiern, also in Amerika. Hier kennt man sogar Beobachtungen, wo sich mehrere Truthahngeier (Cathartes aura) offenbar grundlos an einer bestimmten Stelle sammelten und lange kreisten. Die Nachsuche ergab ein defektes Gasrohr. Der Geruch des ausströmenden Gases hatte die Geier alarmiert. Auch Versuche mit versteckten Fleischködern bewiesen, dass Truthahngeier über einen hervorragenden Geruchsinn verfügen. Aber die alt-weltlichen Arten reagieren ausschließlich auf optische oder akustische Reize. So ist von Jagdsafaris aus Afrika bekannt, dass nach dem Fallen von Schüssen plötzlich suchende Geier erscheinen, Die Vögel hatten offensichtlich gelernt, dass es meist Nahrung gibt, wenn es geknallt hat.

Kappengeier
Oben segelt ein Kappengeier (Necrosyrten monachus) herbei. Diese Art erscheint häufig als erste am Aas.

Die Hauptrolle beim Auffinden der Nahrung spielt jedoch zweifellos das Auge. Die Vögel können aus großer Höhe noch Details am Erdboden erkennen. So sehen sie beispielsweise einen Tierkadaver aus mehreren tausend Metern Höhe. Sitzen an diesem bereits andere Aasfresser, so ist dies für die Geier ein Signal zu landen. Ein langsam tiefer kreisender oder gar jäh hinabstoßender Geier wird von anderen sehr rasch entdeckt, da suchende Geier sich stets gegenseitig beobachten. Sie kommen dann schnell herbei und folgen dem Beispiel. So ist es zu erklären, dass Geier plötzlich in großer Zahl aus dem Blau des Himmels herabschießen.

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