Ein Eselkind ist da

An dieser Stelle möchte ich mit allem Nachdruck die Mär widerlegen, dass Esel dumm seien.

Ich schätze, ein von einem Esel überlisteter Mensch hat die Legende aufgebracht, um sich für eine Eselei zu rächen. Dass Susanne nicht menschlich-logisch denkt, ist klar. Aber wo immer sie auch nur die leiseste Chance sieht, ihren Weidezaun zu verlassen, nimmt sie sie wahr und findet sie mit einem sechsten Sinn. Als wir einen Weidezaun mit elektrischem Strom hatten, spielte sie - nach der ersten schmerzhaften Erfahrung - so lange, Tag für Tag mehrmals, mit ihren Barthaaren an den Drähten, bis sie eines Tages spürte, dass wir vergessen hatten, den Strom einzuschalten. Sie öffnete den Absperrdraht und begab sich zu einem Spaziergang ins nahe Dorf. Gegenüber dem Pferd Sonja, mit dem sie viele Jahre zusammenlebte, ist sie - tut mir leid, Pferdeliebhaber so zu schockieren - eine Intelligenzbestie.

Huftiere

Nicht zuletzt: Susanne ist begierig nach jeder geistigen Anregung, die sich in ihrem Umkreis bietet. Alles interessiert sie. Lässt man sie auf einer Weide abseits vom Geschehen grasen, wird sie bald unwirsch. Sie will dabeisein und Kenntnis von allem nehmen, was auf dem Hof geschieht. Nur fürs Fernsehprogramm hat sie sich bisher nicht interessiert. Wie gesagt, Esel sind nicht dumm!

Natürlich hat uns Susanne bereits zweimal mit Nachwuchs beglückt. Wer noch nie einen Esel von drei oder sechs Tagen gesehen und gestreichelt hat, hat ein Tiererlebnis versäumt. Es gibt nichts Weicheres und Romantischeres.

Im Gegensatz zu Pferden, die beim Fohlen Betreuung brauchen, sucht sich die Eselin einen Augenblick aus, in dem sie allein ist. Irgendwann schauen Sie in den Stall und trauen Ihren Augen nicht: Ein Eselkind ist da! Wobei Sie einer Eselin - Esel tragen zwölf Monate lang, was eine Art Rekord bedeutet; es braucht eben seine Zeit, einen Esel vollendet zu entwickeln - bis fast zuletzt nicht ansehen, dass sie trächtig ist.