Man hält ihn für faul und störrisch

Der Esel ist in unseren Breiten ein Fremdling, obwohl sein biederes Aussehen die exotische Herkunft nicht verrät.

Esel

Seine Heimat ist, wie es die Bilder dieser Seiten zeigen, Nordafrika. Noch vor dem Pferd wurde er gezähmt und schon von den alten Ägyptern als Lasttier verwendet. Dort finden wir ihn oft auf Grabreliefs dargestellt.

Auch in der Bibel kommen Esel häufig vor. Abraham erhält seiner schönen Frau zuliebe vom ägyptischen Pharao Esel und andere Haustiere und zieht damit nach Kanaan zurück. Noch bekannter ist der Esel des Sehers Bileam, der seinem Herrn vorwirft, dass er ihn misshandele, und ihn trotzdem vor dem Zorn Gottes rettet. Man kann behaupten, dass Bileams Esel am Anfang unserer Vermenschlichung des Tiers steht.

Im Neuen Testament tritt unser Esel in engste Beziehung zu Christus. Eine falsch ausgelegte Bemerkung des Propheten Jesaja brachte die frühen Christen des 4. Jahrhunderts zu dem Glauben, dass bei der Geburt Christi in der Herberge zu Bethlehem ein Ochse und ein Esel zugegen waren. Doch sah man in ihnen weniger leibhaftige Tiere als Symbole für Judentum und Heidentum, die sich schon bei der Geburt Christi ihm unterwarfen und seine Macht über die Völker anerkannten. (Wie vieles aus unserer bürgerlichen Weihnachtsvorstellung spätere Zutat ist, zeigt auch die Tatsache, dass auf den ältesten Abbildungen der Geburt Christi Maria und Joseph fehlten. Was wäre unsere ganze Familienweihnachtsseligkeit, wenn das Szenarium auf seinen dogmatischen Kern beschränkt geblieben wäre!)

Huftiere

Ein echter Esel wirkt dagegen bei der Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten mit, und unbestreitbar ritt Christus am Palmsonntag auf einer Eselin nach Jerusalem ein. Die Geschichte dieser Eselin hatte insofern ein Nachspiel, als die frommen Ausleger der biblischen Ereignisse sich den Kopf darüber zerbrachen, was mit diesem herrenlosen Tier nach der Kreuzigung Christi geschehen sein mochte. Da es Gott selber tragen durfte, konnte es nicht so ohne weiteres wieder in Vergessenheit geraten. Es wanderte daher nach einer frommen Überlieferung über Land und Meer nach Frankreich, wo ihm zu Ehren in mehreren Städten jedes Jahr Feste abgehalten wurden. Diese Eselsfeste arteten im späten Mittelalter so aus, dass sie von den Bürgermeistern verboten wurden. Diese Schaustellungen hatten einen Teil des religiösen mittelalterlichen Dramas gebildet, und mit dem Verbot kam diese Art Theater zu einem unrühmlichen Ende. Damit wurde aber der Weg für das große weltliche Theater, wie wir es kennen, bereitet. Überspitzt ausgedrückt, könnte man sagen: Ohne das Verbot der Eselsfeste hätte es keinen Corneille, Racine und Moliere gegeben.

Der Weg des Esels nach Westen und Norden war ein Weg in die Missachtung. Je weniger sie mit ihm im praktischen Leben zu tun hatten, um so negativer sahen die Menschen der Antike seinen Charakter. Ein alter Anklang an seinen früheren guten Ruf ist der Beiname Asina (Eselin), den stolz zwei Mitglieder des berühmten Geschlechts der Scipionen trugen. Sonst jedoch wurden in jener Zeit alle die Vorurteile geprägt, die wir noch heute mit der Gestalt des Esels verbinden: Er sei faul, störrisch, gefräßig, wenig wählerisch in der Auswahl seiner Leckerbissen, eigensinnig und sehr triebhaft. Deshalb wohl ist er besonders dem Gott Dionysos geweiht.