Wächter und Spielgefährte

Dennoch: Jene Fälle, die gelegentlich durch die Gazetten gehen, dass ein Schäferhund einen Säugling oder ein Kleinkind angefallen hat, haben sicher andere Ursachen.

Wenn die glücklichen Eltern ob des Nachwuchses plötzlich ihren Hund vernachlässigen und das Baby an seiner Stelle Mittelpunkt der Familie wird, reagiert der Hund konsequent und versucht, den Nebenbuhler auszuschalten. Was einem Pudel oder Cockerspaniel schon aus Größegründen verwehrt ist - der Schäferhund schafft's. Aus dem braven Beamten-Hund wird jählings ein Mörder. Es sind Ausnahmefälle, gewiß, für die man den Hund überdies in Schutz nehmen muß. Sein Instinkt lässt ihn so handeln, wie ahnungslose Menschen es eben nicht vermuten. Dagegen sind in ihrer Wertschätzung bestätigte Schäferhunde die besten Wächter und geduldigsten Spielgefährten für den Nachwuchs. Der Schäferhund, dein Freund und Helfer ...

Raubtiere

Die Neigung, Hundebesitz zur Pflege von Zuchtbürokratie zu machen, hat bei Schäferhundzüchtern besonders üppige Blüten getrieben. Da ein Schäferhund erst dann als vollwertig anerkannt wird, wenn er "abgerichtet" und ausgebildet ist, verweigert der Verein für deutsche Schäferhunde, der größte Rassehundzuchtverein der Welt, Hunden ohne "Schulbildung" jene Papiere, die die Rassereinheit des Nachwuchses bestätigen. Das bedeutet, dass der Besitzer eines Schäferhundes nur unter zwei Bedingungen legalen Nachwuchs von einer Hündin oder die Deckgenehmigung für einen Rüden erhalten kann. Er muß das Tier erfolgreich ausbilden lassen und zu den - der menschlichen Eitelkeit schmeichelnden - Hundeausstellungen schicken.

Auf Menschen bezogen, sähe das so aus, dass Frauen an einer Miss-Wahl teilnehmen müßten, bevor sie Kinder gebären dürften, und dass nur Bundesbürger mit Abitur und silbernem Sportabzeichen zur Produktion von Nachwuchs zugelassen würden - vorausgesetzt, sie legen Wert auf Bestätigung vorn Standesamt. Letzten Endes tut der Schäferhundverein - ein wenig naiv - so, als gebe es eine Vererbung erworbener Eigenschaften, womit der wissenschaftlichen Genetik ganz schön hohngesprochen wird.

Immerhin: Unsere mit Stammbaum gekaufte, allerdings weder auf Ausstellungen paradierende noch irgendwie ausgebildete Schäferhunddame Josephine schaffte es, durch einen reinrassigen Schäferhund Mutter von astreinem, wenn auch durch Papiere nicht bekräftigtem Nachwuchs zu werden. Denn zum Glück bewertet mancher Schäferhundverein-Mitläufer Geld höher als Prinzipien; ein solcher ließ seinen reinrassigen, prämiierten Rüden so lange in Waldeseinsamkeit um Josephine buhlen, bis der Deckakt zur Zufriedenheit aller Beteiligten gelungen war. Dafür kassierte der Besitzer dann auch - stellvertretend für seinen Hund - die Kleinigkeit von 100 Euro.