Sie paaren sich nahezu ununterbrochen
Wo sie günstige Lebensbedingungen fanden - und fast jede Lebensbedingung ist günstig für Kaninchen -, vermehrten sie sich rasch.
Kaninchen sind ein ungemein fruchtbares Volk. Sie paaren sich von Januar bis Juli nahezu ununterbrochen. Jede Mutter hat nur vier Wochen Zeit, um sich mit ihren vier bis sechs Kindern abzugeben. Dann kommt bereits der nächste Wurf. So kann sie es durchaus auf 20 Nachkommen pro Jahr bringen; zwölf Monate später hat sie 400 Enkel, ein Jahr später 8000 Urenkel. Wenn nichts dazwischenkommt.
Natürlich kommt manches dazwischen: Füchse, Greifvögel, Jäger. Und dennoch: Die Zahl der natürlichen Feinde ist, im Verhältnis zur Fruchtbarkeit der Kaninchen, recht gering. Diese Tierchen, die so herzig und unschuldsvoll aussehen, sind auch durchaus nicht feige. Es macht einem Kaninchen nichts aus, einen Hasen anzugreifen.
Kaninchen vermehren sich nicht nur in atemberaubender Geschwindigkeit; sie richten auch im gleichen Tempo Schaden an: nagen die Wurzeln von Bäumen ebenso ab wie deren Rinde, beißen junge Stämmchen durch, scharren Pflanzen aus und unterhöhlen den Boden. Die Menschen konnten also gewiß nichts Törichteres tun, als ausgerechnet Kaninchen dort auszusetzen, wo es noch keine gab. Aber sie taten es. Teils um Jagdvieh zu haben, teils aus nicht mehr feststellbaren Gründen.
Im 12. Jahrhundert schleppten Normannen die Tiere in England und Irland ein. Gegen 1230 kamen die Kaninchen von dort auf die Nordfriesischen Inseln. Um 1600 war es in ganz Europa Mode, halbwilde Kaninchen auf Inseln oder in Parks zu halten. 1787 kamen die ersten Kaninchen nach Australien. 1791 wurde dort der zweite Ansiedlungsversuch gemacht. Zu Weihnachten 1859 brachte ein Mister Autin 24 Kaninchen aus England nach Australien mit; über sie flucht heute der ganze Kontinent.
1838 wurden die ersten Kaninchen auf Neuseeland ausgesetzt. 1904 brachte man welche nach Chile, 1951 versuchte man sie auch in New Jersey (USA) anzusiedeln. Während sich die Kaninchen in den USA durchaus nicht wohl fühlten, wurden sie in Neuseeland und Chile zur Plage. Aber die katastrophalsten Folgen hatte das Ansiedlungsexperiment in Australien, wo die Kaninchen jährlich Milliarden von Euro kosten: Sechs Kaninchen fressen soviel wie ein australisches Schaf.
Man versucht auf alle Arten, die Tiere zu dezimieren. Die Kaninchenjagd mit Pulver und Blei ist, statistisch betrachtet, völlig sinnlos. Man hat Füchse eingeführt (die es früher in Australien auch nicht gab) - der Erfolg war gering. Man setzte Gift und Gas ein. Schließlich versuchte man es in den fünfziger Jahren mit einer Krankheit: der Myxomatose. Sie wird durch Moskitos oder Flöhe von Kaninchen zu Kaninchen übertragen und hat ziemlich scheußliche Folgen: Den Tieren schwillt der Kopf an, sie werden taub und blind, bis sie elendiglich verenden.
Tiere bewußt durch eine Krankheit auszurotten, ist gewiß nicht das, was den Richtlinien des Tierschutzes entspricht. Indessen wußten sich die zähen und anpassungsfähigen Kaninchen schnell selbst zu wehren.
Zehn Jahre später waren sie immun gegen die Myxomatose, übertrugen die Krankheit zwar weiter, hatten aber selbst keine Beschwerden mehr. Womit nun - wie es Dr. R. Mykytowycz von der Division of Wildlife Research in Australien spöttisch formulierte - das Überleben sowohl des Kaninchens als auch des Virus gesichert ist".
In Europa versuchte der französische Insektenforscher Dr. Delille die Kaninchen, die seine Felder umwühlten, mit Myxornatose zu bekämpfen. Tatsächlich gelang es ihm, auf diese Weise fast alle seine Kaninchen umzubringen - und in der Folge davon, weil die Krankheit sich ausbreitete, die Mehrzahl aller Karnickel in Europa.
Die französischen Jäger waren darüber sehr böse, denn Kaninchen waren das häufigste Jagdwild in Frankreich, und versuchten, Dr. Delille auf hohen Schadenersatz zu verklagen.
Aber die Landwirtschaftliche Akademie Frankreichs hängte ihm eine Goldmedaille um.