Wie Sganarell mit dem Leben davonkam

Autor: Nikolai Ljesskow

Mein Onkel ging gerne auf die Bärenjagd. Wenn er dabei ein ganzes Bärennest ausheben konnte, nahm er die Jungen mit nach Hause und zog sie auf. Erwies sich später ein Bär als besonders klug, so durfte er sich frei auf dem Gut bewegen.

Sganarell

Doch wehe, wenn er sich etwas zuschulden kommen ließ, wenn seine Tiernatur in ihm durchbrach! Dann wurde er in eine Grube gesetzt, bis er hungrig und schwach war. An einem festgesetzten Tag musste er über einen schräg in die Grube hinabgelassenen Balken herausklettern und wurde dann von Hunden zu Tode gehetzt. Konnten ihm diese nicht den Garaus machen, so wurde er durch einen Schuss aus dem Hinterhalt niedergestreckt.

So war auch ein kluger Bär namens Sganarell in die Grube geraten, sehr zum Leidwesen seines Pflegers, des Leibeigenen Chraposchka, der ihn besonders ins Herz geschlossen hatte. Nach einer Reihe von Hungertagen ließ man das Tier am Balken heraus. Der Bär fuchtelte ungeduldig mit der Tatze, um die sich zufällig der an das Ende des Holzes befestigte Strick geschlungen hatte. Das Tier wollte sich aus der Schlinge befreien oder den Strick zerreißen, es war aber trotz seiner Klugheit doch so ungeschickt wie jeder andere Bär: Statt die Schlinge zu lösen, zog er sie nur noch fester an.

Als er sah, dass er die Schlinge nicht lösen konnte, begann er am Strick zu zupfen, um ihn zu zerreißen; der Strick war aber viel zu fest und riss nicht. Der Balken jedoch sprang in die Höhe und ragte plötzlich senkrecht aus dem Graben. Während sich Sganarell umsah, fielen zwei Hunde, die man in diesem Augenblick losgekoppelt hatte, über ihn her und bissen sich mit ihren scharfen Zähnen in seinem Genick fest.

Tiergeschichten

Sganarell war so sehr mit dem Strick beschäftigt, dass er im Augenblick dieser Überrumpelung weniger erbost als erstaunt war. Doch schon nach einer halben Sekunde, als einer der Hunde versuchte, die Zähne noch tiefer in ihn zu bohren, holte er mit der Tatze aus und schleuderte ihn mit zerrissenem Bauch weit von sich weg. Während die Gedärme des Hundes auf den blutbefleckten Schnee fielen, zertrat er den anderen Hund mit einer Hintertatze.

Weit schrecklicher und unerwarteter war aber das, was mit dem Balken geschah. Als Sganarell ausholte, um den Hund von sich zu schleudern, zog er mit der gleichen Bewegung den Balken, an dem das Ende des Strickes befestigt war, aus dem Graben heraus, und der Balken sauste, eine flache Bahn beschreibend, durch die Luft. Er flog um Sganarell im Kreise herum und erschlug nicht etwa zwei oder drei, sondern eine ganze Menge von Hunden. Die einen winselten noch im Todeskampfe, die andern aber lagen gleich leblos da.

Der Bär war wohl zu klug, um nicht einzusehen, was für eine nützliche Waffe der Balken für ihn war; oder war es nur der Schmerz in der vom Strick umschlungenen Tatze? - Jedenfalls brüllte er auf und zog den Strick noch fester an, so dass der Balken in der gleichen horizontalen Ebene mit seiner Tatze wie ein riesenhafter Kreisel zu surren begann. Er musste alles, was ihm in den Weg trat, niederschlagen und zermalmen. Wenn aber der gespannte Strick an einer Stelle nicht genügend stark wäre und zerrisse, so würde der Balken durch die Zentrifugalkraft weit hinausgeschleudert werden. Gott allein weiß, wie weit er fliegen und was er alles unterwegs zermalmen würde.

Das ganze Publikum aber, die Gäste und die Verwandten des Onkels, die dieser Veranstaltung als Zuschauer beiwohnten, fanden an der Sache gar kein Vergnügen mehr. Alle gaben ihren Kutschern den Befehl, möglichst schnell die gefährliche Stelle zu verlassen, und die Schlitten sausten, einander überrennend und überholend, dem Hause zu.

Bei dieser unordentlichen Flucht gab es einige Zusammenstöße und Stürze, einiges zum Lachen und sehr viel Schrecken. Die aus den Schlitten Herausgefallenen glaubten, dass der Balken schon über ihre Köpfe surre, während das wütende Tier ihnen nachsetze.

Die Gäste, die das Haus erreichten, konnten sich bald beruhigen; diejenigen aber, die zurückblieben, sahen etwas noch weit Fürchterlicheres.