Freuden der Freiheit

Indessen hatte man die Kehrichthaufen vor die Häuser geschüttet. Verzweifelt wühlte ich darin. Ich fand zwei oder drei magere Knochen in Schutt und Asche vergraben.

Da begriff ich, wie köstlich das frische Fleisch ist. Mein Freund, der Kater, durchwühlte die Haufen mit künstlerischem Verständnis.

Bis zum Morgen ließ er mich umherlaufen, hetzte mich auf jedes Pflaster. Zehn Stunden lang blieb ich im Regen, an allen Gliedern zitterte ich vor Kälte. Verdammte Straße, verdammte Freiheit - wie sehnte ich mich nach meinem Gefängnis!

Als der Tag kam und er mich kräftig schwanken sah, fragte er mich mit seltsamer Miene:

"Hast du genug davon?" "O ja!" erwiderte ich.

"Du willst nach Hause zurückkehren?"

"Gewiß, wie aber das Haus wiederfinden?"

"Komm. Als ich dich gestern morgen von dort herauskommen sah, wußte ich wohl, daß eine fette Katze wie du nicht für die Freuden der Freiheit geschaffen ist. Ich kenne deine Wohnung, ich will dich bis vor deine Tür führen."

Er sprach das mit solcher Einfachheit, der würdige Kater. Als wir angelangt waren, sagte er mir Lebewohl, ohne die geringste Rührung zu bekunden.

"Nein!" rief ich, "so können wir uns nicht trennen. Du mußt mit mir kommen. Wir wollen dasselbe Bett und dasselbe Fleisch miteinander teilen Meine Herrin ist eine brave Frau ...

Er ließ mich nicht ausreden.

"Schweig!" sagte er barsch, "du bist eine Närrin. In deiner weichen Wärme ginge ich zugrunde. Euer Treibhausleben ist gut für entartete Katzen. Die freien Katzen werden deine Leckerbissen und deine Federbetten nie für der Preis eines Gefängnisses erkaufen. Adieu!"

Und er kehrte über die Dächer zurück. Ich sah seine große magere Silhouette, wie sie sich unter den Liebkosungen der aufsteigenden Sonne vor Behagen schüttelte.

Als ich eintrat, ergriff Eure Tante die Rute und verabreichte mir eine Züchtigung, die ich mit tiefer Freude empfing. Ich schwelgte in dem köstlichen Gefühl, es warm zu haben und geschlagen zu werden. Während sie mich schlug, gedachte ich mit Entzücken des Bratens, den sie mir nachher geben würde.

Seht Ihr, schloß meine Katze, während sie sich vor dem Kamin ausstreckte, das wahre Glück des Paradieses besteht darin, eingesperrt zu werden und Schläge zu bekommen in einem Raum, in dem ein Stück Braten ist.

Tiergeschichten