Das Farbenwunder

An der Hautfarbe kann man erkennen, wie es ihnen geht. Und ihre Art, Beute zu machen, ist faszinierend: mit der langen Schleuderzunge.

Chamäleon - Chamaeleo bitaeniatus hoehnelii
Reptilien

Am Lake Mutanda, nahe den undurchdringlichen Wäldern Westugandas, kommt ein kleiner Junge schreiend vom See her zu uns gelaufen. In der Hand trägt er einen langen Schilfhalm; darauf geht ein Streifenchamäleon mit schwankenden Schritten auf die Hand des Jungen zu. Dieser ist vor Angst ganz grau, doch den Stock lässt er nicht los. Er will den Schilling verdienen, den wir für jedes Chamäleon zahlen. Seit Wochen suchen wir die Rassen des Streifenchamäleons, Chamaeleo bitaeniatus, das zwischen Victoriasee, Kivusee und Edwardsee weit verbreitet ist. Noch am Mount Kenia findet man eine Unterart, Chamaeleo bitaeniatus hoehnelii, die von manchen Autoren allerdings als eigene Art betrachtet wird.

Meist trifft man die Streifenchamäleons an Waldrändern in niederen Gebüschen, häufiger noch auf den viele Meter hohen Halmen des Elefantengrases und im Schilf an Fluss- und Seeufern.

"Warum hast du denn Angst? Das Chamäleon tut dir doch nichts!" "Doch, doch! Es ist giftig. Es beißt!"

In der Tat spreizt ein wütendes Chamäleon seine Kehle weit auf und droht mit offenem Mund. Die beweglichen Kiefer sind mit höckerigen Zähnen besetzt, die aber die Haut eines Menschen nicht durchdringen können.

"Es trägt das Böse! Siehst du nicht, wie schwankend sein Gang ist? Gott hat es gestraft, weil es so langsam ist, und er hat ihm alles Böse zum Tragen aufgebürdet. Und der Teufel will es nicht in den Himmel lassen! Seht ihr nicht, wie er es am Schwanz immer wieder zurückzieht, wenn es einen Baum hinaufklettern will?"

Tatsächlich schwankt das Chamäleon vor und zurück. Es geht schwankend, wenn ein Mensch in der Nähe ist. Doch diese ungewöhnliche Gehweise ist nur eine Drohgebärde seinen Feinden gegenüber.

In der Mythologie der Afrikaner spielt das Chamäleon eine bedeutende Rolle. Über den ganzen Kontinent sind Geschichten verbreitet, die ihm eine Rolle bei der Weltenschöpfung zuschreiben. So soll das Chamäleon schuld daran sein, dass die Afrikaner dunkelhäutig sind:

"Nachdem die Welt erschaffen war, sah Gott, dass alle Menschen schwarz waren. Das gefiel ihm gar nicht. Er sandte den Falken nach Europa, den Schmetterling nach Asien und das Chamäleon nach Afrika, um den Menschen zu sagen, dass sie in einem bestimmten See baden sollten. Der Falke flog schnurstracks zu seinem Ziel. Die Europäer badeten und wurden weiß. Der Falter flatterte von Blüte zu Blüte. Er kam spät an, und die Chinesen mussten mit dem Wasser vorlieb nehmen, das von den Weißen schon verdreckt war. Deshalb wurden sie nicht mehr weiß. Das Chamäleon aber ging ganz langsam zu den Afrikanern. Und als diese den See erreichten, war er eingetrocknet. Sie konnten im feuchten Schlamm gerade noch Handflächen und Fußsohlen anfeuchten. Deshalb sind diese heller als der übrige Körper. Und deshalb hassen wir Afrikaner das Chamäleon. Wir tun ihm aber nichts, denn wir fürchten es, weil es mit dem Bösen im Bunde ist."