Kugelaugen fixieren das Opfer

Auch ohne mythischen Zutaten weist das Chamäleon mehr kuriose Besonderheiten auf als seine ganze übrige Echsenverwandtschaft.

Chamäleon
Die Bilder oben zeigen Ihnen: So fängt man eine Heuschrecke mit der Zunge. Vorausgesetzt, man ist ein Chamäleon.
Reptilien

Da sind seine Augen, die halbkugelig am Kopf sitzen und außerordentlich beweglich sind. Mit ihnen schaut es nach allen Seiten und Richtungen; jedes Auge bewegt sich unabhängig vom anderen. So kann das Tier völlig unbeweglich im Geäst sitzen. Nur die Augen drehen sich langsam und überwachen die Umgebung.

Erst wenn die Beute identifiziert ist, wird die Blickrichtung koordiniert. Der Kopf dreht sich in Jagdrichtung, und der Körper schiebt sich über den langen Beinen nach vorne. Ein hungriges Tier pirscht sich mehr als einen Meter nahe an die Beute heran, aber nur selten lässt sich ein Chamäleon zu einem hastigen Angriff verleiten. Zumindest lässt dann die Treffsicherheit seiner Zunge gewaltig nach.

Ein normales Chamäleon schiebt sich also behäbig in Richtung Beute. Wenn es geht, wird der ganze Körper in Zielrichtung ausgerichtet. Doch es genügt auch, wenn der Brustkorb mit den Vorderbeinen auf die Beute zeigt. Beide Kugelaugen fixieren jetzt das Opfer, die Zunge ragt aus dem leicht geöffneten Mund, wird oft nochmals zurückgezogen, der Jäger schiebt sich noch einen Schritt vorwärts - und dann schießt die Zunge heraus und erreicht zielsicher die Beute.

Der Aufprall des Fangkopfes an der Zungenspitze ist so stark, dass selbst wehrhafte Insekten wie Bienen und Wespen nicht zum Stechen kommen, sondern betäubt in den Mund zurückgezogen werden. Dort wird ihnen der Stachel herausgedrückt und fällt abgebissen zu Boden - so konnte ich es beim Chamaeleo bitaeniatus hoehnelii beobachten.

Es gibt Untersuchungen über die Geschwindigkeit dieser Zungenschüsse. Eine 20 cm lange Chamäleonzunge trifft die Beute in 1/16 Sekunde. Das entspricht einer Geschwindigkeit der Zungenspitze von etwa drei Meter pro Sekunde. Die Beute wird in einer Viertelsekunde zurückgezogen. Ein Beutetier hat also gar nicht die Chance, dieser blitzschnell herausgeschossenen Zunge zu entkommen.

Chamäleons können ungeheuere Mengen fressen. Sie nehmen Fliegen, Raupen und Würmer; die größeren auch Schmetterlinge, Mäuse und Vögel. Andererseits können die Tiere lange Fastenzeiten überdauern. In ihrer Heimat machen viele eine Art Trockenschlaf, den sie unter der Erde verbringen. Auf Wasser können sie nicht verzichten, schon kurze wasserlose Zeiten bringen sie an den Rand des Todes. Aber auch hier ist keine Regel ohne Ausnahme: In der fast regenlosen Namib - einer Wüste an der Küste von Südwest-Afrika, einem der trockensten Gebiete der Erde - lebt ein Chamäleon, das sich mit dem spärlichen Nachttau und der in der Beute enthaltenen Feuchtigkeit begnügen muss.

Chamäleon - Chamaeleo bitaeniatus hoehnelii
Wie ein Chamäleon sich vorbildlich versteckt, sehen Sie ganz rechts in der Mitte: Es verbirgt sich so hinterm Ast, dass fast nur noch die Augen herausschauen. Es ist ein Chamaeleo bitaeniatus hoehnelii.