Dem Hundestall soll nie die Bühne gleichen ...
Es war 1817. Der Leiter des Theaters, Herr von Goethe - der Überlieferung nach kein Hundefreund -, sah dem Tag entgegen, an dem sein "Faust" zum erstenmal an dieser Bühne aufgeführt werden sollte. Aber das Unerhörte ereignete sich: An dem dafür festgesetzten Tag verfügte der Großherzog die Aufführung des Schmierenstückes "Der Hund des Aubry".
Auf den europäischen Bühnen führte in jenen Jahren der geschäftstüchtige Schauspieler und begabte Hundedresseur Christoph Karstens mit einem großen schwarzen Pudel ein schauerliches Ritterdrama auf: "Der Hund des Aubry de Mont Didier" oder "Der Wald bei Bondy", ein "historisch-romantisches Drama in drei Abteilungen". Darin wird Ritter Aubry von seinem Standesgenossen Richard de Malcaire ermordet und verscharrt. Der Leibhund kämpft mit Herrn de Malcaire und entlarvt ihn als den Mörder, dessen Hinrichtung zur allgemeinen Genugtuung nichts mehr im Wege steht.
Soweit das Schauerstück. Der Hund, der vor 400 Jahren einen kampferprobten Mann angreifen und verletzen konnte, dürfte mit ziemlicher Sicherheit eine Bordeaux-Dogge gewesen sein.
Eine Dogge freilich konnte Herr Karstens nicht auf der Bühne toben lassen. Aber einen großen schwarzen Pudel, ein äußerst gelehriges Tier, hatte er für die Rolle der rächenden Dogge abgerichtet, und der Pudel machte seine Sache so ausgezeichnet, dass jede Aufführung ein Erfolg war.
Herzog Karl-August von Sachsen-Weimar lud Karstens mit seinem Pudel zu einer Privatvorstellung ins Schloß ein. Er war so entzückt, dass er dem Herrn von Goethe kurzerhand mitteilen ließ, es sei unverzüglich "Der Hund des Aubry" aufzuführen, und zwar an dem für den "Faust" vorgesehenen Abend.
Goethe, empört, legte die Leitung des Hoftheaters nieder; sein Sohn August trat aus der Intendanz aus. Ein Zweizeiler in Goethes gesammelten Werken erinnert noch an jene blamable Geschichte:
Dem Hundestall soll nie die Bühne gleichen, und kommt der Pudel, muß der Dichter weichen.
Wie der Pudel aussah, der Goethe vertrieb, wissen wir nicht. Damals kannte man übrigens schon große Pudel und Zwergpudel. Zwanzig Jahre später war von drei verschiedenen Pudelgrößen die Rede - beim ZwergpudeI obendrein von "vier Varietäten".
W. Youatt, Hoftierarzt der Königin von England, stellte 1845 in einem Buch einen mittelgroßen weißen Pudel dar, der schwarze Flecken an Kopf, Schulter und der kupierten Rute zeigt. Solche gefleckten Pudel sieht man heute kaum noch; gelegentlich fallen sie in einzelnen Würfen an.
Gegen Ende des 18ten Jahrhunderts war der Pudel bereits ein Modehund. Sein Haar trug er meist in langen Schnüren frisiert. Die Schnurfrisur blieb nicht die einzige Modeerscheinung. Das üppige Wachstum des Pudelfells verführt dazu, immer wieder neue Frisuren zu erfinden.