Die vorbildliche Käfermutter
Totengräber versenken ihr Aas mitunter bis zu einem halben Meter tief in den Boden. Dort unten, in der Krypta, findet dann die Paarung statt. Damit hat das Männchen seine Aufgabe für die Nachkommenschaft erfüllt. Das Weibchen verrichtet nun aber ganz erstaunliche Dinge. Seine Fürsorge für die Brut ist unter Käfern einmalig.
Die Totengräberin treibt von der Krypta aus einen kurzen Stollen in den Boden. Etwa 15 Eier werden in Nischen der Stollenwände abgelegt, dann begibt sich das Weibchen wieder zum Aas. Es setzt sich obenauf, beißt ein Loch in die Haut und träufelt dort Verdauungssäfte in den Leichnam. An dieser Stelle entsteht in den nächsten Tagen ein kleiner Krater, der den Junglarven als "Nest" dienen soll. Sind nach der Eiablage etwa fünf Tage vergangen jetzt müssen bald die Larven aus den Eiern schlüpfen -, lässt das Weibchen zirpende Laute hören. Sie weisen den Junglarven den Weg zur Mutter. Die jungen Maden kriechen von dem Eistollen zum Aas und sammeln sich im Krater.
Offenbar haben sie jetzt Hunger. Aber sie fressen nicht vom Aas, sondern pendeln mit dem Vorderteil ihres Körpers vor dem Kopf der Mutter hin und her - wie bettelnde Vogelnestlinge. Diese einmalige Verhaltensweise bei Käfern hat Erfolg: Die Mutter füttert ihre Larven mit vorverdautem Darminhalt. Diese enge Mutter-Kind-Beziehung dauert allerdings nicht lange. Bald sind die Mundwerkzeuge der Lärvchen so ausgehärtet, dass sie das verwesende Fleisch des Kadavers beißen können.
Mutter Totengräber hat nun eigentlich ihre Aufgabe für die Nachkommenschaft erfüllt. Oder doch nicht? Sie bleibt auch weiterhin bei ihrer Brut und bewacht sie, das Aas und die Krypta. Wird die Kammer - zum Beispiel durch Viehtritt - beschädigt, dann bessert sie sie aus. Totengräber-Mütter sind kaum mit Wesen zu vergleichen, die nur automatisch auf bestimmte Auslöser reagieren. Die Natur hat ihnen besondere Fähigkeiten mitgegeben, die zu engem Kontakt der Generationen führen: Die Mutter ruft ihre Kinder, sie füttert sie und sie hält Wacht bei ihnen, damit ihnen nichts geschieht.
Inzwischen fressen sich die Larven vom Krater aus in die Aaskugel hinein und wachsen allmählich heran, bis sie sich in der Erde verpuppen. Im nächsten Jahr schlüpft dann aus jeder Puppe ein Totengräber. Er wird dazu beitragen, dass die Leichen kleiner Tiere möglichst schnell bestattet werden.