Ein sozialer Magen

Ein Teil der Wespen ist stets im Innendienst beschäftigt: Larven werden gefüttert, Abfälle fortgetragen, man baut alles in völliger Dunkelheit.

Wespenpuppen
Insekten

Die Arbeiterinnen wie auch die Königin werden von den Wespen des Außendienstes versorgt. Der Staat hat ein höchst einfaches System, um die Nahrung gerecht zu verteilen: Der Hungrige bettelt den Satteren an und muß dann von ihm gefüttert werden. Er selber kann aber auch von einem noch Hungrigeren angebettelt werden und muß dann von seiner Nahrung wieder abgeben. Die Wespen praktizieren eine Art von Gemeinschaft, bei der alle lebenswichtigen Güter vollkommen gerecht nach Bedarf und Vorrat verteilt werden - ein System, wie es sich Idealisten oft für Menschen wünschen. Aber wir sind dazu offenbar nicht fähig; unser Sozialinstinkt ist - gemessen an den Wespen - sehr verkümmert.

Diese Freßgemeinschaft, zu der alle Wespen in einem Nest gehören - die Königin und die Larven eingeschlossen -, nennt man "sozialer Magen". Das System geht so weit, dass zuweilen sogar die fetten Larven von hungrigen Nestinsassen angebettelt werden - vor allem, wenn es tagelang regnet und die Jäger keine Beute heimbringen. Der Magensaft der Larven enthält nämlich viel Zucker und hat etwa den Kaloriengehalt von Milch. Die Larven geben ihn von sich, wenn man sie richtig anbettelt. Sie sind richtiggehende "Honigtöpfe". Darum brauchen die Wespen keine weiteren Vorräte einzulagern, und die Waben, aus denen das Innere eines Wespennestes besteht, müssen nicht wie bei den Bienen - Speisekammern für Honig sein. Sie enthalten lediglich Wohnkammern für die Larven, sonst nichts.

Zum Innendienst gehört es auch, an heißen Tagen das Nest zu kühlen. Zunächst bringen Wasserträgerinnen in ihrem "Transportmagen" Wasser herbei und befeuchten damit die Waben. Dann setzen sich Wespen über die Tropfen und fächeln Wind, wobei das Wasser verdunstet und die Verdunstungskälte das überhitzte Nest kühlt.

Es scheint, dass die einzelnen Arbeiten im Dienst der Gemeinschaft von den Wespen ohne Absprache, ohne Kommando ausgeführt werden. Die einzelne Arbeiterin spürt offenbar, was getan werden muß, und macht sich an die Arbeit. Man hat auch bisher kaum Anzeichen für eine Kommunikation, eine "Wespensprache" gefunden, wie sie von den Bienen bekannt ist.

Wespe - sozialer Magen
Wespen füttern ihre Larven vor allem mit tierischem Eiweiß. Dazu fangen sie andere Insekten - Käfer, Mücken oder Spinnen, denen sie zuerst Beine, Flügel und Kopf abtrennen, um dann den Rest - oft schon vorgekaut - ins Nest zu bringen. Man hat beobachtet, wie 60 Wespen innerhalb einer Stunde 227 Fliegen fingen! Die Arbeiterinnen im Nest verschaffen sich ihre Nahrung, indem sie, wenn sie hungrig sind, eine sattere Kollegin anbetteln. Die gibt dann einen Tropfen Nahrungsbrei aus ihrem Magen ab. Man nennt diese gerechte Nahrungsverteilung "sozialer Magen".