Zwei Damen namens "Boa constrictor"
Wenn die Glastüren zum Terrarium aufgeschoben werden, spitzen Antigone und Unusaura die Ohren.
Beide sind Damen der Königsschlange Boa constrictor, und wenn sie das Geräusch vielleicht auch gar nicht hören - denn Schlangenohren sind anders beschaffen als die von Menschen -, so spüren sie doch die Erschütterung. Sie wissen genau, dass sie nur aus wenigen Gründen ihrer Ruhe beraubt werden. Der eine ist die wöchentliche Fütterung. Da ich nicht weiß, wie sich die beiden Schlangen verhalten würden, wenn ich sie gemeinsam füttere, hole ich eine von ihnen heraus und befördere sie mit sanfter Gewalt in ein kleineres Terrarium, das nur zum Füttern benützt wird. Sie mag das gar nicht und versucht mit aller Kraft und Wendigkeit, mir zu entkommen. Spätestens von diesem Augenblick an Wissen beide Tiere, dass sie gefüttert werden sollen, und gehen instinktiv in Angriffsstellung, aus der sie auf alles zustoßen, das sich bewegt. Dazu wird der vordere Teil des Körpers in Windungen zusammengeschlängelt, damit sie sich zum Ergreifen der Beute nur nach vorn zu schnellen brauchen, ohne während des Angriffs den ganzen Körper in Bewegung zu setzen.
Das Menü einer Riesenschlange in Gefangenschaft richtet sich danach, was der Schlangenhalter seinem Tier anbietet. Antigone und Unusaura ziehen Mäuse und Ratten allen anderen Kleintieren vor. Es ist manchmal nicht einfach, das Fütterungsproblem zu lösen, denn einerseits hat nicht jede Zoohandlung zu jeder Zeit die gewünschten Tiere vorrätig. Andererseits kann man Familienmitgliedern mit empfindlicher Nase nicht zumuten, den Gestank einer Mäusefamilie in Kauf zu nehmen. Dabei habe ich die Erfahrung gemacht, dass weiße Mäuse stark, graue Mäuse weniger und Ratten kaum stinken. Wer erfährt, dass ich Mäuse und Ratten halte, um sie zu verfüttern, ist meist entsetzt. Aber ich glaube, dass der Vorgang der Natur entspricht - bis auf die Tatsache, dass das Tier bei mir keine Fluchtmöglichkeit hat.
Die Leute fragen mich, wie ich darauf kam, Schlangen zu halten, und was ich an diesen langweiligen Tieren fände. Der Grund, dass ich mir Schlangen angeschafft habe, war der, dass sie mich im Zoo und in Fernsehsendungen fasziniert hatten. Den Ausschlag gab eine Freundin, die selbst eine Riesenschlange hielt und mich darüber aufklärte, wie einfach diese Exoten zu halten seien. Daraufhin freundete ich mich erst mit einer an, um mehr über das Verhalten dieser oft als ekelhaft, glitschig und bösartig abgestempelten Tiere zu erfahren. Demjenigen, der mich fragt, ob es nicht langweilig sei, diese "stupiden" Tiere zu halten, kann ich nur erzählen, was ich mit meinen beiden Schlangen schon erlebt habe und wieviel Arbeit dazugehört, damit sie sich wohl fühlen und gesund bleiben.