"Leimer" schmecken besonders gut

Karpfeneier sehen in Farbe und Form wie Senfkörner aus, haften an Wasserpflanzen und entlassen nach längstens 7 Tagen die Fischlarve. Bei warmem Wetter und guter Ernährung wachsen die Jungfische rasch, im ersten Jahr etwa zwölf Zentimeter, im zweiten bis zu 30 Zentimeter Gesamtlänge.

Speisekarpfen
Speisekarpfen in den Händen eines ungarischen Fischers - ein Prachtexemplar.
Fische

Es kommt übrigens gar nicht selten vor, dass Karpfen zweigeschlechtig und damit zur Fortpflanzung unfähig sind. "Leimer" nennt man solche Zwitter, und ihr Fleisch gilt als ganz besonders delikat.

Wie alle wechselwarmen Wirbeltiere fällt auch der Karpfen den Winter über in Winterstarre. In Gruppen stehen die Fische nebeneinander und stützen den Kopf auf den Boden, während der Körper im Wasser schwebt. Monatelang bleiben sie so, überdauern in tiefen Stellen auch härteste Winter und magern dabei noch nicht einmal ab. Sauerstoff brauchen sie natürlich. Oft bin ich als Kind mit den Fischern aufs Eis gegangen, um "Wuhnen" zu schlagen, Löcher, damit die Fische unter der Eisdecke Luft bekommen. Strohwische stopften wir in die Löcher, damit sie nicht zufroren, und doch mussten sie alle paar Tage aufgehackt werden.

Zwei Umstände begünstigen die Zucht des Karpfens: Er lässt sich leicht in Teichen halten und fortpflanzen, und er bietet keine Transportprobleme, denn er ist äußerst zählebig. Wie sehr, das habe ich in meiner Kinderzeit häufig erfahren. Nach einer langen Bahnreise kamen die Fische quicklebendig bei uns an. Was war das für ein hübscher Anblick, wenn wir die Sackleinwand über dem Weidenkorb auftrennten und die golden glänzenden Leiber zwischen dem feuchten, grünen Moos zappelten!

Seither interessiere ich mich für Karpfen.

So richtig kennengelernt habe ich sie erst viel später, in Ungarn. Unter alten Weiden haben die Fischer von Haläsztö ihren Essplatz. Schöneres kann man sich gar nicht vorstellen - übermannshohes Schilfdickicht, dahinter die offene Wasserfläche eines riesigen Teiches. Hier aßen wir zum erstenmal die über dem offenen Feuer im Kessel gekochte ungarische Fischersuppe, die rote, scharfe, heiße Halaszle, von der einem auch im kalten Winter der Schweiß ausbricht.

Natürlich kochen die Männer selbst: aus Kopf und Beuscheln (Eingeweide) des Karpfens wird zusammen mit Paprika und Zwiebeln ein dichter Sud gekocht. Er ist erst dann gut, wenn der Dampf überm Kessel "leimig" wird. Man merkt es, indem man mit der Hand durch den Dunst fährt. Kleben die Finger, ist es an der Zeit, die Karpfenfilets hineinzugeben, die in wenigen Minuten gar ziehen. Dazu aßen wir Weißbrot und tranken den herben, trockenen Sandwein der Gegend.