Aus Salzhunger lecken sie Beton ab
Steinböcke sind (wie die ganze Ziegenfamilie) schleckig. Sie weiden durchaus nicht planmäßig ein Areal ab; sondern holen sich Alpenkräuter, Gräser und Seggen, Baumknospen, Blätter und Zweigspitzen, besonders Fenchel- und Wermutarten, Thymian, Knospen der Zwergweiden, der Birken, der Alpenrosen, des Ginsters, auch Flechten.
Und dann ist das Steinwild nach Ziegenart besonders auf Salz versessen und sucht Stellen auf, die natürliche Lecken enthalten. Wo solche Salzvorkommen nicht vorhanden sind, legen die Wildhüter Salzlecksteine aus, die außer Kochsalz auch Spurenelemente enthalten. Wer eine solche Salzlecke kennt und Geduld hat, wird dort mit Sicherheit Steinböcke antreffen. Die Tiere sind so salzgierig, dass sie beispielsweise in der Mont-Pleureur-Kolonie im Schweizer Wallis die Betonbauten von Kraftwerkanlagen besuchen, weil der gegossene Beton nach einiger Zeit Salpeter ausscheidet.
So sehr sich die naturverbundene Öffentlichkeit darüber freut, dass der Steinbock wieder in unseren Alpen heimisch ist, so gibt es doch auch Leute, die dem urigen Tier einiges anzukreiden haben. Nicht immer ganz zu Unrecht. So haben es die Botaniker nicht sehr gern, dass die Steinwildrudel das Geröll auf den Schutthängen so lockern, dass Schuttpflanzen nur schlecht Wurzel fassen können. Sie mögen es auch nicht, dass Steinböcke die sogenannte "Pioniervegetation", die als erste ein Gebiet besiedelt, durch Scharren und Verbeißen schädigen und damit die gefürchtete Erosion fördern. Die Förster brummen wegen Verbißschäden an Jungbäumen der Lärchen, Arven, Fichten und Legföhren. Landwirte endlich melden Flurschäden in Alpweiden und Matten an, die auf Steinwild zurückgehen sollen (allerdings oft auf das Konto des weit häufigeren Rothirschs kommen).