Welches Auge ist besser?
Beim Menschen ist eine einzige Augenlinse der Lichtverteiler für Millionen von Sehzellen. Bei den Insekten gehören zu jeder Linse nur wenige Sehzellen. Prinzipiell aber sind beide Systeme gleich.
Auch die Insekten fassen die Eindrücke der einzelnen Sehzellen im Gehirn zusammen und kombinieren sie zu einem Bild der Umwelt.
Ist solch ein Komplex- oder Facettenauge als optischer Apparat so zweckmäßig wie das menschliche Auge? Sieht es etwa besser? Sieht es schlechter?
Die Frage ist kaum zu beantworten. Das Komplexauge der Insekten hat dem menschlichen Auge manches voraus. Weil es gewölbt ist wie eine Aussichtskuppel, kann es ein größeres Gesichtsfeld umfassen. Ferner vermag es ultraviolette Strahlen wahrzunehmen, weil Insekten den dafür nötigen Sehfarbstoff besitzen. Außerdem können Insekten - im Gegensatz zu uns - polarisiertes Licht wahrnehmen. Und schließlich ist das zeitliche Auflösungsvermögen zehnmal besser als beim Menschen. Das heißt: Insekten können Bewegungen weit klarer erkennen, weil sich diese für sie wie im Zeitlupentempo abspielen.
Aber in anderer Hinsicht ist der Mensch - zumindest nach unseren Maßstäben - besser ausgerüstet. Zum Beispiel kann er seine Augenlinse nach Belieben dünner und dicker werden lassen und sie so auf näher oder ferner liegende Gegenstände scharf einstellen. Die Insekten mit ihren Tausenden von Einzelaugen können das nicht. Allerdings spielt das bei ihnen keine wesentliche Rolle. Die Brennweite - also der Abstand von der Linse zur Sehzelle - ist dort derart winzig, dass der Sehbereich (wie bei einem Miniatur-Fotoapparat) automatisch vom sehr nahen bis zum unendlich weiten Bereich scharf ist. Bei einer Fliege beträgt diese Brennweite etwa fünf hundertstel Millimeter; deshalb erkennt sie auch Gegenstände, die sich nur wenige Millimeter vor ihrem Auge befinden. Einen hochfliegenden Düsenjet kann sie dagegen nicht mehr klar sehen - aber wozu auch?