Wölfe waren in Deutschland zu Hause
Noch im 18. Jahrhundert lebten Wölfe in fast allen Waldgebieten Deutschlands, noch im 19. Jahrhundert sind Tausende von ihnen erlegt worden.
1817 wurden allein in Preußen 1080 Wölfe geschossen. In Pommern gehörten die Isegrims am Anfang des 19. Jahrhunderts zur regelmäßigen Jahresbeute; oft blieben über hundert Tiere auf der Strecke. Der Wolfsbestand lichtete sich dann stark und bekam erst wieder mächtigen Zuzug aus dem Osten, als sich Napoleon mit seinem geschlagenen Heer aus Rußland zurückzog. Wovon die Wölfe sich ernährt haben, als sie diesem Rückzug folgten, lässt sich leicht vermuten.
Doch nicht nur tote Beute wird von den Tieren angenommen. So berichtet Altvater Brehm, dass in Posen in den Jahren 1814 und 1815 achtundzwanzig Kinder und 1820 neunzehn Kinder und Erwachsene von Wölfen getötet worden seien. Man ist heute solchen Uraltangaben gegenüber allerdings mißtrauisch und glaubt kaum noch derlei. Ob man allerdings den Wolf völlig freisprechen kann, steht dahin. Konrad Lorenz meint zwar, dass es keinen wissenschaftlich verbürgten Fall der Tötung eines Menschen durch einen wilden Wolf gebe, doch steht zu vermuten, dass die Wissenschaft nicht in jedem Fall eines Wolfsangriffs die Möglichkeit zur Überprüfung hatte.
In Deutschland befaßt sich mit Biologie und Verhalten des Wolfes der durch Fernsehen und Illustriertenpresse bekannt gewordene Eric Zimen. Er lebte mit seinen zahmen und halbzahmen Gatterwölfen auf so vertrautem Fuß, dass er mit den Tieren Spaziergänge im Bayerischen Wald unternahm, mit ihnen den berühmten Duettgesang im Heulen vorführte und so zur Meinung beitrug, Wölfe seien eigentlich ausschließlich freundliche und gutmütige Tiere. Die überlieferten Vorurteile des Menschen gegenüber dem Wolf nannte Zimen einmal sehr einprägsam "faschistisch", was soviel heißen sollte, dass hier eine Minderheit von Lebewesen mit Hilfe von Greuelmärchen und Verleumdungen um ihr Lebensrecht gebracht werden sollte. Denn eines ist klar: die Rolle des Wolfes in der freien Wildbahn wurde vom jagenden Menschen übernommen, der Isegrim als unnötigen Konkurrenten ansah.
Das große Wolfsfreigehege im Nationalpark Bayerischer Wald war für die Besucher immer ein Anziehungspunkt, da man von einer etwas erhöhten Kanzel aus das ganze Treiben der Raubtiere mit dem Fernglas beobachten konnte. Ich selbst bin besonders gern in der Morgenfrühe zu den Wölfen gegangen und habe dabei meinen unfehlbar wirkenden Köder mitgenommen, meinen Zwergdackel "Buffy", auf den die Wölfe stets mit nicht zu bezähmender Neugier reagierten. Kaum waren wir auf der Plattform erschienen, so erhoben sich droben im Hochwald viele graue Schemen aus den Schlaflagern und das Rudel schob sich lautlos zum Gitter herunter, wo mein Dackel seine Ahnen schwanzwedelnd begrüßte. Er ahnte nicht, wie gern ihn seine verfressene Verwandtschaft innerhalb des Gatters gehabt hätte ...