Man muß zugeben: eine elegante Lösung

Hat die Spinne nach vielen Umläufen mit dem Klebefaden endlich das Gerüst erreicht, so baut sie es ab, frißt es auf oder wirft es einfach weg.

Das eigentliche Fangnetz ist nun fertig und - wie ich fürchte - die Geduld des Lesers am Ende.

Aber wo nimmt die Jägerin selbst Platz? Die häufigste und bekannteste Art, die Gemeine oder Hauskreuzspinne (Araneus diadematus), sitzt meist tagsüber kopfunter in der Mitte ihres Netzes, in der klebstofffreien Warte. Zum Verstecken und Übernachten baut sich unsere Spinne ein kleines, aus Seide gefertigtes Büro in einer versteckten Ecke neben dem Fangnetz und richtet sich dort, damit sie über alle Vorgänge am Netz orientiert bleibt, ein Telefon ein. Ein solches Telefon ist ein Faden, der im Netz befestigt wird und direkt zu einem Fuß der hockenden Kreuzspinne reicht. Knallt eine Fliege ins Netz, so gerät dieses in Schwingungen. Der Telefonfaden am Spinnenfuß beginnt zu schnappeln, und die Dame wetzt zum Netz.

Das Aranea-Büro ist aber nicht nur ein Gemach, wo man sich versteckt. Es wird, wenn ein Insekt im Netz gefangen, eingewickelt und bewegungsunfähig gemacht ist, zur Vorratskammer umfunktioniert. Wenn Aranea Hunger hat, saugt sie das Insekt so vollkommen aus, dass nur die leichte Hülle übrigbleibt. Hat sie aber vorher schon gespeist, so hängt sie das gefangene Insekt wie eine seidenumsponnene Salami an die Decke des Gemachs.

Im Jahr 1890 hat man einen Versuch angestellt, wie tragfähig eigentlich der Spinnenfaden sei. Der Vergleich zwischen den Fäden der Seidenspinne Nephila madagascariensis und der bekannten Seidenraupe ergab, dass der 0,007 mm dünne Spinnenfaden mit vollen vier Gramm Gewicht belastet werden konnte, wobei er sich um 22 Prozent verlängerte. Der 0,011 mm dicke Raupenfaden trug dagegen nur 3,8 Gramm und dehnte sich lediglich um 13 Prozent aus. Das Spinnengewebe hat also größere Tragfähigkeit und Elastizität.

Nach solchen Ergebnissen nimmt es nicht wunder, dass sich auch der Mensch überlegt hat, ob er die Spinnenseide nicht wirtschaftlich nutzen könne. Im 18. und noch zu Anfang des 19. Jahrhunderts wurden Strümpfe, Handschuhe und Geldbeutel aus Spinnenseide gewoben und als fürstliche Geschenke verwendet. Auch in der optischen Industrie haben Spinnenfäden Eingang gefunden: sie verdrängten die bis dahin benutzten 0,028 mm dicken Silberfäden in den Fadenkreuzen der Zielfernrohre und in Meßinstrumenten. Heute noch wird Spinnenseide für diese Zwecke gebraucht. Andere Verwendungen der Spinnenseide sind wieder aufgegeben worden, so die Herstellung von Textilien. (Die damaligen Väter sahen es nicht gern, wenn ihre Töchter in zwar sündhaft teuren aber ebenso sündhaft durchsichtigen Gewändern herumliefen.)

Spinnen