Die Liebe hat duftende Flügel
Schmetterlinge haben Parfüm an den Flügeln. Sie riechen mit den Fühlern, wo es etwas zu trinken gibt und wo die begehrten Damen sind. Doch haben es die bunten Falter heute schwer: Wildblumen werden selten und in unserer Feldflur lauert Gift.
"Die Liebe hat bunte Flügel", singt Carmen in ihrer berühmten Habanera. Man muss allerdings bezweifeln, dass sie die Ordnung Lepidoptera aus dem Reich der Insekten oder Kerbtiere im Kopf hat. "Lepidoptera" heißt soviel wie Schuppenflügler und meint die Schmetterlinge - und auf kein anderes Lebewesen passt die Carmen-Arie besser. Aber nicht nur bunte Flügel lassen unsere Falter in der Sonne prangen, wenn sie auf Hochzeitsflug sind. Nein: sie sind auch parfümiert. Ihre Flügel tragen nicht nur Farbschuppen. Dazwischen sind auch ganze Felder von Duftschuppen, deren Odeur das andere Geschlecht von weither anlockt. Schmetterlingsliebe hat duftende Flügel.
Zwar hat sich schon Aristoteles (384-322 v. Chr.) mit Schmetterlingen und ihrer geradezu sensationellen Metamorphose vom Ei zur Raupe, dann zur Puppe und endlich zur Imago befasst, und im 17. Jahrhundert schrieb die berühmte Maria Sibylla Merian ein Werk "Der Raupen wunderbare Verwandlung". Doch haben die späteren Klassiker der Tiererzählung immer einen weiten Bogen um das Thema Insekten gemacht. Wölfe, Bären, Löwen und Adler ließen sich prächtig zu Geschichten verarbeiten - von Insekten wusste man nichts. Und hätte man's gewusst und geschrieben - die Leute hätten's nicht geglaubt. Vom Riesenreich der Insekten, der artenreichsten Tiergruppe auf Erden, kennt der zoologisch wenig Interessierte gerade den Maikäfer im Eichenbaum, die Wespe auf dem Marmeladenbrot, die Ameise im Hosenbein oder die Motte im Kleiderschrank. Na ja, und noch einige andere dazu. Doch sind auch dem tierinteressierten Publikum jene unglaublichen Vorgänge aus dem Insektenleben (die kein Autor zu erfinden braucht) bis heute oft noch nicht bekannt. Als sicher ist vorauszusagen, dass die besten Tiergeschichten kommender Jahrzehnte sich mit Kerbtieren befassen werden.
Unser "Zoologisches Stichwort" stellt den Schwalbenschwanz aus dem noblen Geschlecht der Ritterfalter vor. So dürfen wir hier gleich in die Einzelheiten gehen und uns die schön schwarz-gelb gemusterten Schwalbenschwanzflügel mit ihren roten Augenflecken und den ausgezogenen Zipfeln der Hinterflügel von der Nähe ansehen. Schon mit einem gewöhnlichen Fadenzähler ist auszumachen, dass die Flügel wie ein mit Ziegeln gedecktes Hausdach mit Schuppen bedeckt sind.