Ungefährliche Spaziergänger

All dies passt so gar nicht zum gängigen Bild von der wütenden Bestie Wildschwein. Etwas anderes ist es freilich, wenn ein Tier nicht mehr fliehen kann, weil es verletzt oder angeschossen ist.

Dann zeigt sich die Kämpfernatur der Tiere. Sie "kommen", wie der Jäger sagt, und dann sind sie gefährlich. Die Keiler haben in ihren dolchartigen Hauern wahrhaft mörderische Waffen, und auch die Bachen können einen böse verletzen. Die Angriffstechnik ist verschieden. Manchmal werfen sie einen schlicht um. Wildschweine entwickeln Laufgeschwindigkeiten bis zu 50 Stundenkilometer; man kann sich vorstellen, mit welchem Schwung eine Sau einen Menschen umreißt. Manchmal genügt das schon, aber ich habe erlebt, dass eine Bache, nachdem sie ihren Gegner gefällt hatte, gewissermaßen auf dem Absatz kehrt machte, um ihn noch einmal tüchtig zu rammen. Wenn es dabei ohne Verletzungen abgeht, kann man sich glücklich schätzen.

Wildschwein
Huftiere

Bachen können überhaupt angriffslustiger sein als Keiler - nämlich dann, wenn sie Nachwuchs haben und befürchten, dass man ihren Frischlingen etwas tun will. Wanderer, die im Frühling ein halbes Dutzend kleiner Wildschweinchen in ihrem Kessel (wie man das Nest nennt) finden, während die Mutter unterwegs ist, und sich voller Mitleid der verlassenen Tiere erbarmen, können eine böse Überraschung erleben, wenn die Wildschweinmama vom Ausgang zurückkehrt.

Unter Jägern ist ein Trick bekannt, der sich immer wieder bewährt: Wer zufällig und versehentlich in die Nähe einer Bache gerät, die mit ihrem schon ausgehfähigen Nachwuchs unterwegs ist, schleicht nicht ängstlich davon, sondern beginnt ein lebhaftes Gespräch mit sich selbst.

Der Wildschweinmutter gilt er als Spaziergänger, der schwatzhaft und ungefährlich ist.