Zum Fressen gern
Diese Insekten sind gierige Raubtiere. Ohne Hemmungen verspeisen sie Partner und Geschwister. Hier wird über einen solchen Fall berichtet.
Es gibt wohl kaum ein anderes Tier, dessen Name einerseits so treffend, andererseits so widersinnig ist wie der der Mantis religiosa, der Gottesanbeterin. Gleich beim ersten Hinschauen weiß man, warum sie so heißt. Wie alle Insekten besitzt sie sechs Beine. Aber nur das mittlere und das letzte Paar sind richtige Schrittbeine, mit denen das Tier läuft. Das erste Paar wird
zusammengeklappt vor der Brust getragen und erinnert auffallend an betend erhobene Hände.
In Wirklichkeit sind diese Beine jedoch gefährliche Fangwerkzeuge die wie Klappmesser zusammengelegt sind. Der Innenrand dieses Fangapparates trägt starke und spitze Dornen; ein Opfer, das hier hinein gerät, sitzt fest wie in einem Schraubstock. Entkommen ist unmöglich.
Wenn wir im Spätsommer oder Herbst noch ein paar Tage Urlaub am Mittelmeer machen, bringen wir uns manchmal von einem Ausflug eine Mantis mit in unsere Ferienwohnung. Ihr Platz ist dann im großen Blumenstrauß einer Bodenvase. Darin bleibt sie auch, wenn nicht allzu großer Hunger sie veranlaßt, ihren Standort zu wechseln. (Wir haben sie zum Beispiel schon mal an der Gardine wiedergefunden.) Da meist nicht genügend Fliegen oder Wespen in die Wohnung und in ihre Reichweite kommen, füttern wir sie regelmäßig. Einmal bringen wir ihr eine große Fliege, ein andermal eine Heuschrecke mit. Weil sie ein gieriges Raubtier ist, nimmt sie die Beute ohne Scheu aus der Hand. Man braucht die Fliege nur ein paar Zentimeter vor ihrem Kopf hin- an herzubewegen dann schnellen die Klappmesser nach vorn, packen das Opfer, ziehen es heran - und sofort beginnt die Mahlzeit. Nichts wird übriggelassen; sie verspeist auch den harten Chitinpanzer.
Immer wieder fasziniert uns dieses etwa zehn Zentimeter lange Insekt wegen seines "Gesichts". Der dreieckige Kopf mit den großen Augen sitzt nämlich auf einer Art Kugelgelenk. Er kann - wie bei keinem anderen Insekt - in alle Richtungen gedreht werden, Wenn wir an "unserer" Mantis vorbeigehen bleibt ihr Körper unbewegt, nur ihr Kopf dreht sich. Sie verfolgt uns mit ihren Blicken. Man glaubt, einen Kontakt mit ihr zu haben, wie es bei anderen Insekten nicht möglich ist.