Flucht im Sturzflug

Weit verbreitet ist die schnelle Flucht. Und zwar nicht zu Fuß, sondern durch einen Sprung in die Tiefe.

Vor allem vor Vögeln, Säugetieren und Raubkäfern schützen sich Raupen auf diese Weise; auch Schlupfwespen und Raupenfliegen können sie - wie manche Spezialisten angeben - so entgehen. Damit sie selbst durch den Sturz nicht verletzt werden, spinnen sie den Faden, mit dem sie sich stets am Untergrund anheften, im Fall weiter und hängen an ihm in der Luft oder landen sanft auf dem Boden. Wenn die Gefahr vorüber ist, klettern sie am eigenen Faden zu ihrem Blatt hoch, fressen ihn auf und gewinnen so die wertvolle Spinnsubstanz zurück. Weit verbreitet ist das Zappeln und das Umsichschlagen. Dadurch wird der Verfolger irritiert; mit Glück kann ihm die Raupe dann entgehen.

Auch eigenartige Bewegungen können einen Gegner abwehren. So sind zum Beispiel bei den Buchenspinnerraupen das zweite und dritte Beinpaar stark verlängert. Mit ihnen fuchtelt die Raupe bei Gefahr herum. Gleichzeitig biegt sie Vorder- und Hinterkörper zu einer ungewöhnlichen Form.

Weit verbreitet sind Drohgesten. Durch Verdicken der Brustringe entsteht der Eindruck, die Raupe sei nur der Kopf eines größeren Tieres. Zeichnungen, die Augen vortäuschen, werden oft erst sichtbar, wenn sich das Tier gegen eine Gefahr stellt. Man findet sie bei den Raupen vieler Schmetterlingsfamilien. Eigenartigerweise sitzen die Augenzeichnungen nicht nur am Kopf, sondern oft auch an den Brustringen (dann wird der Kopf beim Drohen zurückgezogen) oder am Schwanz (dann macht das Tier mit dem Hinterteil Bewegungen, die einen Kopf vortäuschen). Durch diese optischen Signale - eine Art von "bösem Blick" - lassen sich aber nur Tiere abschrecken, die Augenzeichnungen als gefährlich erkennen.

Weit wirksamer sind die chemischen Hilfsmittel. Ich habe die Säfte, die durch den Mund abgeschieden werden, schon erwähnt. Auch an den Körpersegmenten haben viele Raupen Vorrichtungen, mit denen sie giftige oder zumindest übelriechende Stoffe abscheiden können. Viele Papilio-Raupen besitzen ausstülpbare Vorrichtungen am Brustsegment, die eine stinkende Flüssigkeit absondern. Andere können einen Saft spritzen, wieder andere haben an ihren Dornen Substanzen, die Entzündungen hervorrufen.

Weit verbreitet sind auch die schlechtschmeckenden oder giftigen Raupen. Man kann sie meist an ihrer auffallenden Färbung erkennen. Die Giftwirkung ist den Verfolgern, die im gleichen Revier leben, wohlbekannt. Fremde Tiere können sich täuschen. Sie werden durch die Warnfärbung nicht abgeschreckt. So hatte ich einen zahmen afrikanischen Würger, der freifliegend bei einer Rast am Mittelmeerufer die Raupen von Wolfsmilchschwärmern fing und an ihrem Gift jämmerlich einging.

Der am weitesten verbreitete Schutz vor Verfolgern ist allerdings die Mimikry, das perfekte äußerliche Anpassen an Farben und Formen der Umgebung. Beispiele für solche vollendete Tarnung kann man im Raupenbereich allenthalben finden - oder, besser gesagt, nicht finden, weil man diese Tiere einfach übersieht.

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