Intensive Brutpflege
Eine zoologische Grundregel besagt, dass nur solche Lebewesen intensive Brutpflege betreiben, deren Kinderzahl begrenzt ist auf etwa eins bis zwanzig.
Nur ganz wenige Tiere widmen sich einer Nachkommenschaft von einigen hundert Kindern. Dazu gehört etwa der Buntbarsch, der, wie man im Aquarium beobachten kann, seinen Jungfischschwarm beschützt und spazierenführt. Auch Maulbrüter treiben Brutpflege - bei ihnen nehmen die Männchen den Kindersegen schützend ins Maul und lassen die Nachkommenschaft nur, wenn kein Feind in der Nähe ist, ins Wasser zum Schwimmen und Fressen. Auch der Skorpion, wie die Tarantel bei vielen Leuten ein Schreckenswesen, betreut seine jungen, indem er sie auf dem Rücken spazierenträgt. Aber nun die Tarantel selbst! Wenn man sieht, was passiert, muß man der alten Gifttante sämtliche mildernden Umstände zubilligen.
Zunächst der Kokon. Am nächsten Tag sieht man die Lycosa mit ihrem weißen Ballon umhergehen, den sie sich mit einigen Fäden an den Bauch gebunden hat. Das gefräßige Weibsstück wird jetzt vollkommen von ihrem geliebten Kokon in Anspruch genommen. Es bricht die große Mutterliebe aus. J.-H. Fabre, der bedeutende Forscher, hat auch diese "Mutterliebe" geprüft und seiner Tarantel den Kokon mit einer langen Pinzette (ich glaube, dies wäre ein Augenblick, da sie beißen würde) den Kokon entrissen. Das arme Spinnentier rannte im Terrarium umher und suchte seine Eier. Forscher haben festgestellt, dass die Tarantelin in diesem Zustand bis zu zwei volle Tage auf der Kokonsuche ist, ehe sie aufgibt. Während dieser Zeit nimmt sie ihren eigenen Kokon ebenso begierig wieder entgegen wie etwa den Kokon eines anderen Tarantelweibes. Nicht genug: Fabre hat aus Kork einen runden kleinen Ball geschnitzt und der verzweifelten Mutter angeboten. Sie nahm ihn, band ihn um und war zufrieden. Es kommt übrigens auch in freier Natur vor, dass die Spinne ihren Kokon verlieren kann. So beobachtete der Forscher Locker eine Lycosa palustris, die sich ersatzweise ein kleines Schneckenhaus umgebunden hatte.
