Armer roter Schlauberger
Unser schönstes Raubtier. Elegant in jeder Bewegung. Intelligent. Aufopfernd für seine Jungen. Ein Paradetier für das Schullesebuch. Der Fuchs hätte es verdient, statt des ewigen Adlers auf einer Münze, auf einer Briefmarke zu erscheinen. Aber da ist leider die Sache mit der Tollwut.
Kein Tier, über das mehr gelogen worden wäre als über den Fuchs! Märchen, Fabeln, Sprichwörter faseln von ihm. Generationen von Dichtern und Schriftstellern - von Goethe mit seinem "Reineke Fuchs" über Hermann Löns' "Widu" bis zu Svend Fleurons "Die rote Koppel" - haben viel Phantasie an dieses Tier verwendet. Hier sei nur der Altmeister der Tierschriftsteller, Gesner, aus seinem "Thierbuch" zitiert, um zu zeigen, wie sich Dichtung und Wahrheit vermischen können:
"Ist ein listig, boszhafftig und fürwitzig thier. Den ygel kehrt er sattlich um und beseicht ihm den Kopff, von welchem er dann erstickt; den hasen betriegt er mit schimpff; die vögel, indem daz er sich besudelt und als ob er tod seye, sich auf den rasen streckt, sie lockt und also fasset; die fischly facht er mit seinem schwantz, den er ins Wasser streckt und so sich die fischly daryn geschwummen, zeucht er sy heraus."
Wenn man den Fuchs auch nicht zu den Vorfahren unseres Haushundes wie den Wolf oder den Schakal rechnen darf (der Fuchs kreuzt sich nicht mit Hunden), so gehört er doch auch zur großen Canidenfamilie. Er ist kleiner als der Wolf und nur in Ausnahmefällen ähnlich stark, doch gewandter als dieser, auch als Einzeltier kühner und anpassungsfähiger. "Plastisch" nennt man dieses Talent, mit mancherlei Umwelt auszukommen; im Volksmund wird diese Flexibilität zu der für Füchse sprichwörtlichen "Schlauheit".
Wenn der Fuchs im Winter auch mit seinem dichten Fell etwas pummelig und ungraziös aussehen kann, so weiß jeder, der schon einen Fuchs aufgezogen und ihn auf dem Arm gehabt hat, wie schlank, lang und biegsam, aber auch wie muskulös dieses Tier ist. Es kann emporschnellen wie eine Stahlfeder und ist zu allen Verrenkungen fähig. So nieder der schnürende Fuchs auf der Wiese auch dahinzieht, seine Läufe sind lang und elastisch. Wenn manche Füchse besonders zur Ranzzeit auch lange nächtliche Ausflüge unternehmen, so ist Reineke auf der Jagd kein Hetzer in der Horde wie der Wolf, sondern ein Einzelgänger, ein Kurzstreckler mit großer Anfangsgeschwindigkeit und Sprungkraft. Mit der Katze hat er die Geduld bei der Mäusejagd gemeinsam. Bewegungslos wie sie kann er sitzen und auf die paar Gramm Beute warten. Im entscheidenden Moment wendet er aber eine andere Technik als die Katze an: Er springt nicht waagrecht nach vorn und schlägt mit den Krallen zu wie sie, sondern zeigt - einem turmspringenden Olympioniken gleich - zuerst einen Sprung senkrecht nach oben, biegt dann elegant zu einem Kopfsprung nach unten und sucht die Maus mit dem Fang zu packen. Fuchspranken können nur zuschlagen, die Krallen sind nicht beweglich. Übrigens zeigen auch manche Hunde bei der Mäusejagd diesen spektakulären Fuchssprung.