Gegen afrikanische Feinde?
Diese Stinkerei gab indessen noch manches Rätsel auf. Bald stellte man nämlich fest, dass junge Wiedehopfe durchaus nicht im Kot sitzen. Die Bruthöhle ist fast immer völlig sauber.
Die Theorie vom unsauberen Wiedehopf ließ sich nicht halten, aber eine andere schien um so eindrucksvoller: Man hatte entdeckt, dass junge Wiedehopfe einen dünnen Kotstrahl auf den Eindringling spritzen.
Was lag näher, als diesen Kotstrahl, der gezielt gegen das Flugloch gerichtet wird, mit dem gleichzeitig auftretenden Gestank in Verbindung zu bringen? Andererseits aber konnte man bei jungen Wiedehopfen feststellen, wenn man sie in die Hand nahm, dass der Geruch der Bürzeldrüse entströmte. Manche folgerten nun. dass der Kotstrahl nach der Bürzeldrüse stinke. In anderen Büchern steht, die Jungvögel würden "aus der Bürzeldrüse einen stinkenden Abwehrstoff verspritzen". Kurz: Der sprichwörtlich stinkende Wiedehopf machte die ganze Zoologie konfus. Bis schließlich ein Schweizer Ornithologe eindeutig feststellte: Junge Wiedehopfe schießen in der Tat einen Kotstrahl gegen den Nestfeind. Der aber stinkt nicht. Gleichzeitig jedoch sondert die Bürzeldrüse einen Tropfen des übelriechenden Sekrets ab, der rasch den ganzen Innenraum der Höhle verpestet. Es handelt sich also um eine kombinierte Abwehr.
Aber damit nicht genug: Zusätzlich können junge Wiedehopfe einen kurzen Zischlaut von sich geben, ähnlich wie die Meisen. Und erst neuerdings habe ich bei der auf diesen Seiten abgebildeten Brut im Flugkäfig beobachtet, dass einzelne Jungvögel auch den Kopf vorschnellen und mit dem Schnabel klappern können. Ein junger Hopf, der als Spätgeschlüpfter noch allein in der Bruthöhle war, setzte sich sogar durch einen kräftigen und dröhnenden Flügelschlag gegen die Höhlenwände zur Wehr. Damit halten junge Wiedehopfe einen Rekord in der Anzahl ihrer Abwehrmethoden.
Man weiß allerdings noch nicht, ob und wie diese Maßnahmen gegen Nestfeinde überhaupt wirken. Es gibt eine Beobachtung aus Ungarn. Dort wurden junge Wiedehopfe auf einem Dachboden aufgezogen, auf dem auch mehrere Katzen lebten. Die Katzen zeigten keinerlei Interesse an den jungen Vögeln. Wahrscheinlich haben der Geruch und die übrigen Abwehrmaßnahmen diese Zurückhaltung ausgelöst.
Möglicherweise richten sich diese Verhaltensweisen aber auch gar nicht gegen die Nestfeinde in unserem Gebiet. Denn weil die Wiedehopfe wahrscheinlich ursprünglich in Afrika zu Hause waren, ist die Abwehr wohl in erster Linie dortigen Nestfeinden angepasst. Und das sind natürlich ganz andere Tierarten als bei uns.
Es ist also gar nicht so leicht, die Zweckmäßigkeit Wiedehopfscher Verhaltensweisen zu ergründen.