Rabengeier als Gesundheitspolizei

Der Rabengeier ist an Kopf und Kehle nackt. Die merkwürdig runzelige Haut hat eine schwärzlichgraue Färbung.

Während das Gefieder einfarbig schwarz ist, sind die Basen der Handschwingen und die Kiele dieser Federn weiß. Daran lassen sich fliegende Rabengeier gut erkennen. Es sind Aasfresser, die aber auch Unrat aller Art verzehren und kleinere Wirbeltiere erbeuten. Sie sollen - wenn sie in Scharen kommen - angeblich auch an verletzten, hilflosen Haustieren herumpicken. In Südamerika haben sie große Bedeutung als Unratbeseitiger, vor allem in Slums und kleinen Siedlungen. Dort sind die Vögel meist recht vertraut und wenig scheu.

Wir konnten Rabengeier vielerorts beobachten. Im Gegensatz zu den mißglückten Versuchen beim Kondor hatten wir bei den Rabengeiern keine Schwierigkeiten.

In der Finca EI Rey war gerade eine Kuh geschlachtet worden. Wir erwarben Eingeweide und Kopf des Tieres, um diese auf einer Wiese am Waldrand auszulegen. Schon vorher hatten wir dort unsere Tarnzelte aufgebaut, weil der Metzger uns versichert hatte, die Vögel seien spätestens zwanzig Minuten nach dem Auslegen da. Wir hatten zwar einige Zweifel, verschwanden aber doch sofort nach dem Darbieten des Köders in den Zelten. Die Kameras wurden montiert, Notizbuch und Diktiergerät bereitgelegt. Ein akustisches Signal zu den beiden Nachbarzelten wurde prompt beantwortet: Alle waren bereit. Meine Frau flüsterte mir fragend zu, wie lange wohl zwanzig argentinische Minuten seien, denn wir waren bei Geiern schon sehr lange Wartezeiten gewohnt. Doch ehe ich antworten konnte, landete ein Schatten beim Köder: ein Caranchofalke.

Ohne von uns Notiz zu nehmen, stolzierte er um die Därme und den abgehäuteten Kopf herum, einmal hier, einmal dort etwas zerrend. Es waren noch keine fünf Minuten vergangen, seitdem wir in den Zelten unsere Kameras bereitgemacht hatten.

Vögel

Caranchofalken sind wehrhafter

Der Carancho entschied sich nach wenigen Augenblicken für den Kopf und begann, Muskelfasern abzureißen, wobei er sich mit einem Fuß gegen den Unterkiefer des Schädels stemmte. Diese Vogelart wird - wie schon erwähnt - zur Familie der Falken gezählt und hat mit den Neuweltgeiern nichts zu tun.

Wenige Augenblicke später landete ein zweiter Carancho und mit ihm ein Truthahngeier. Beide marschierten auf den Köder zu. Fast gleichzeitig kamen mehrere Rabengeier und ein weiterer Truthahngeier an. Schließlich balgten sich drei Caranchos, zwei Truthahn- und ein knappes Dutzend Rabengeier um das Futter. Während die Caranchos bevorzugt das frische Muskelfleisch verzehrten, machten sich die Neuweltgeier über die Eingeweide her. Dabei kam es natürlich auch zu Auseinandersetzungen.

Ganz deutlich dominierte der dreiste Rabe über den schüchtern wirkenden Truthahngeier. Beide wichen aber dem wendigen Caranchofalken aus, wenn der einen Blitzangriff startete. Alle drei Arten sind etwa bussardgroß, wobei der Carancho wohl der wehrhafteste, wenn auch leichteste Vogel ist.