Ich seh Dich nicht, Du siehst mich nicht...
Das ist Vogel-Strauß-Politik: den Kopf in den Sand stecken. Nichts wahrnehmen von dem, was ringsum vorgeht. Und glauben, weil man selbst nichts mehr sieht, von anderen nicht erblickt zu werden.
Politik mag das sein, aber ganz sicher nicht die vom Vogel Strauß. Er steckt den Kopf nicht in den Sand; diese Mär haben vor vielen hundert Jahren die Araber erfunden und den Wissenschaftlern der Antike weisgemacht. Nein, der Strauß verhält sich ganz anders. Wenn Hahn oder Henne auf den Eiern sitzen, also nicht davonlaufen können, ohne die Brut im Stich zu lassen, gehen sie bei Gefahr in Tarnstellung. Den langen Hals, der sie verraten könnte, pressen sie mitsamt dem Kopf dicht an den Boden. Der hingekauerte federbedeckte Körper sieht dann aus wie ein Erdhaufen.
Auch die jungen Strauße kennen diesen Trick. Auf der Farm meines Freundes Art Sinclair in Südafrika habe ich das bei Zuchtstraußen und auch bei Vögeln draußen in der Natur oft beobachtet: Wittern die Kleinen Gefahr, nehmen sie ebenfalls diese Haltung ein.
Kopf in den Sand oder auf den Sand - wo ist der Unterschied? Nun, er ist erheblich. Die sprichwörtliche Vogel-Strauß-Politik besteht ja darin, nichts mehr von der Umwelt wahrzunehmen. Der Strauß jedoch in seiner Tarnhaltung späht sehr scharf in Richtung Gefahr. Seine Augen sind hervorragend, und an Mut fehlt es ihm auch nicht. Ich rate niemandem, heiteren Gemüts auf einen brütenden Strauß loszugehen, der scheinbar den Kopf im Sand hat. Strauße sind zwar Fluchttiere und entwickeln ein beachtliches Tempo. Die hundert Stundenkilometer, die man ihnen zuweilen zuschreibt, sind wohl übertrieben. Aber die Hälfte halten sie dreißig Minuten lang ohne Schwierigkeiten durch; sechzig Stundenkilometer haben wir schon gemessen, als wir neben einem rennenden Strauß herfuhren.
Der Strauß kann also rennen, und meist rennt er auch davon. Aber wenn er in die Enge getrieben ist oder seine Brut verteidigt, nimmt er den Gegner an und verfolgt ihn auch. Das kann peinlich werden. Die zweieinhalb Meter hohen Tiere haben einen gefährlich zuschlagenden Schnabel. Vor allem aber haben sie in ihren sehr muskulösen, wohltrainierten Beinen eine Tretkraft, über die kein Bundesligaspieler verfügt. Hunde bringen sie mit einem einzigen Fußtritt ums Leben. Vor wütenden Straußen nimmt man sich also besser in acht