Stets ohne Füße

Diese arteigene Fußlosigkeit riß die Wissenschaftler zu kühnen Theorien hin. Ein Vogel, der anatomisch so beschaffen ist, kann unmöglich auf Bäumen sitzen.

Also blieb wohl keine andere Lösung, als dass die Geschöpfe ihr Dasein beständig hoch in der Luft verbringen würden. Dazu müßten sie imstande sein, kräftelos zu schweben. Einige Gelehrte bezweifelten das. Sie meinten, jedes Tier müsse sich hin und wieder ausruhen. Das ginge aber zur Not auch ohne Füße. Wozu hätten die Vögel ihre langen, fadenförmigen Schwanzfedern? Selbstverständlich um sich damit an die Baumäste zu hängen!

Diese Theorie wurde aber bald zugunsten der Lehre vom reinen Himmelsaufenthalt niedergestimmt. Man sah in den bunten Vögeln Wesen höherer Art, die auch in ihrer Nahrung das Besondere lieben; so nahm man als ziemlich sicher an, sie nährten sich allein vom Tau des Himmels, wobei nur umstritten war, ob sie diesen erst dann aufnehmen würden, nachdem er schon das Gras benetzt hatte, oder - was einleuchtender schien - ob sie ihn direkt aus der Atmosphäre bezogen. Der Holländer Jan van Lindschoten, der von ihrem überirdischen Ursprung überzeugt war, nannte sie "Paradiesvögel" - ein Name, der ihnen bis zum heutigen Tage blieb.

Vögel

Es half nichts, dass ein paar kleinmütige Forscher jener Zeit wie Maregrave oder Clusius sowohl die himmlische Herkunft als auch die erbliche Fußlosigkeit der Paradiesvögel in Zweifel zogen. Ja, es half nicht einmal, dass Antonio Pigafetta, der Überbringer der ersten Bälge, der es doch eigentlich wissen müßte - dass also Pigafetta erklärte, die Paradiesvögel besaßen durchaus Füße, und zwar recht kräftige. Die Eingeborenen würden nur der Einfachheit halber die Gehwerkzeuge beim Präparieren abschneiden.

Auch der durchaus nüchterne Mathematiker Geronimo Cardano, der immerhin eine Formel für die Auflösung von Gleichungen dritten Grades erdacht und für die lageunabhängige Aufhängung von Schiffskompassen das Kardangelenk erfunden hatte, hielt es lieber mit dem Überirdischen. In einem 1550 erschienenen Buch schilderte er nicht nur, was wir nun schon wissen, sondern erklärte auch, wie Paradiesvögel ihr Nachwuchsproblem lösen: Das Weibchen legt während des Fluges in den lichten Himmelshöhen ihr Ei in eine Höhlung im Rücken des Männchens. Dann setzt es sich darauf, um so zu brüten. Die langen Schwanzfedern des Männchens seien durchaus nicht dazu da, dass der Vogel sich an Baumäste hängen könne. Sondern sie dienten dazu, das Weibchen während des Brütens zu umschlingen, damit dieses bei Flugmanövern nicht herunterpurzeln könne.