Der Thron des Schahs
Als Vogel der Könige trat der Pfau bereits in Babylon auf; schon dort gab es einen Pfauenthron.
Doch der berühmteste Thron dieses Namens stand in einem Gebäude des Roten Forts der Mogule von Delhi. Es war ein Kleinod von unschätzbarem Wert, mit zahllosen Saphiren, Rubinen, Smaragden und anderem Edelgestein besetzt. Doch im Jahre 1739 überfiel Nadir, der Schah von Persien, die Stadt Delhi. Als er sie verließ, hatte er den Pfauenthron bei sich (und außerdem den Koh-i-noor, einen der größten und berühmtesten Diamanten der Weltgeschichte). Den Thron installierte er in seiner persischen Residenz. Doch auch dort war er nicht sicher. Eines Tages verschwand er, wurde wie alle gestohlenen Pretiosen zerlegt, und seine Bestandteile fanden neue Liebhaber. Aber schon lange vor dem nie geklärten Raub des Pfauenthrones war der schillernde Vogel als Gegenstand der bildenden Kunst von Indien in das klassische Griechenland gelangt. Die klugen Kunsthistoriker haben diesen Wanderweg dadurch nachgewiesen, dass der stolze Vogel meist paarweise und symmetrisch von vorn oder von der Seite dargestellt wurde. Ich sage ausdrücklich "symmetrisch", da nie ein naturgegebenes Pfauenpaar abgebildet wurde. Die Zoologen mögen sich beschweren, aber das hausbackene Pfauenweibchen wird in der bildenden Kunst totgeschwiegen: Wer kein Rad schlagen kann, ist nicht hoffähig. Das beweist auch der Sprachgebrauch des Englischen, wo der "peacock" ja eigentlich "Pfauenhahn" heißt und nur das Männchen bezeichnet. Von der "peahen" spricht man nur unter Biologen.
Offenbar nach indischem Vorbild wurde dem Pfau in der griechischen Mythologie ein hoher Rang eingeräumt. Man machte ihn zum Tier der Zeusgattin Hera. In ihrer sklavischen Nachahmung der griechischen Mythologie ordneten die Römer den Vogel der Jupitergattin Juno zu. Von daher wurde er zum Symboltier der römischen Kaiserinnen. In der Kunst erscheint er als Dekorationsstück auf Münzen, Fresken, Mosaiken und andernorts.
Dennoch sind repräsentative Darstellungen des Pfaus in der griechischen und römischen Kunst nicht häufig. Beide Völker sind sich zwar in der Anerkennung seiner Schönheit einig. Aber mit Aristoteles melden sich die ersten kritischen Stimmen, denen später, im Mittelalter, noch andere folgen sollten: Der Pfau hat einen schlechten Charakter, eine häßliche Stimme und, namentlich, entsetzliche Beine. Von der Mode als der Kunst des Möglichen haben diese Moralisten noch nichts gewußt. Stattdessen rieben sie sich schadenfroh die Hände über diesen gerechten Ausgleich gegenüber einer stolz zur Schau getragenen Schönheit.