Der Storch auf dem Nest

Weißstorch
Flugbild des Weißstorchs

Noch ehe die Sonne aufging, packte ich meine Fotoausrüstung und meinen Tagesproviant in den Wagen und fuhr nach Osten, dem beginnenden Tag entgegen. Gut zwei Stunden später war ich am Ziel: einem Dörflein im Ries.

Während das Dorf noch schlief, tastete ich mich mit meiner Last die enge, steile Treppe im dunklen Kirchturm hoch zum Glockenstuhl. Er war ein Vierteljahr meine zweite Heimat. Von hier hatte ich den Schornstein eines Bauernhauses im Sucher der Kamera: einen Schornstein, auf dem ein Storchennest thronte.

Vögel

An einem wunderschönen Frühlingstag, Anfang April, hatte sich aus einer Gruppe Störche, die von Südwesten geflogen kam, einer gelöst. Während die anderen ihren Flug fortsetzten, schwebte er tiefer und tiefer. Als die Storchenschar am Horizont verschwand, stand das Storchenmännchen auf dem Nest und nahm es für diesen Sommer in Besitz.

Einige Tage später landete ein zweiter Storch auf dem Nestrand: eine Störchin. Mit lautem Klappern wurde sie empfangen. Immer wieder legten beide den langen Hals zurück bis auf den Rücken und schlugen die Schnabelhälften gegeneinander, dass es über das Dorf schallte. Jeder wusste: Die Störche sind wieder da!

Nie wurde es mir langweilig in dem winzigen Glockenstuhl, auch wenn der Aufenthalt an manchen Tagen zwölf Stunden und länger dauerte. Immer gab es Neues im Nest zu entdecken und zu fotografieren. (Die meisten Bilder auf diesen Seiten entstanden in jenen drei Monaten. Man sieht's: Jedesmal ist es der gleiche Schornstein mit dem gleichen Nest.) Für Abwechslung sorgte auch die Glocke, die einen halben Meter von meinem rechten Ohr entfernt im eichenen Gebälk hing und präzise jede Viertelstunde anschlug.