Die Kreuzzüge

Verfolgen wir nun das Schicksal des Adlers in seiner zweifachen Form während des Mittelalters weiter, so erkennen wir, dass sich mit der Einführung der Wappen im 12. Jahrhundert dem Adler ein neues Aufgabengebiet eröffnete.

Mit den Kreuzzügen war es nämlich nötig geworden, dass sich die Ritter aus den verschiedenen Nationen untereinander und gegenüber den Sarazenen kenntlich machten. Das taten sie, indem sie in stilisierter Form und leicht erkennbar ein Tier oder ein anderes Symbol auf ihren Schild malten und sich damit als Individuen oder als Angehörige einer Institution (wie des Deutschritterordens) kennzeichneten. Diese Wappen blieben den Nachkommen der ersten Wappenträger erhalten und wurden erblich. Sie änderten sich mit dem Schicksal der Personen und erloschen erst mit dem Tod des letzten, meist des letzten männlichen Familienmitglieds. Waren die Wappenträger Mitglieder einer herrschenden Dynastie, so übertrug sich ihr persönliches Wappen auf das des Staates.

Vögel

Von Karl dem Großen aus wurde der Adler zum deutschen Wappentier. Als einfacher Adler erschien er zum ersten Mal 1136 auf dem Wappen des Markgrafen Leopold von Österreich. Den Doppeladler soll als erste die Stadt Lübeck schon im 14. Jahrhundert im Wappen geführt haben, doch findet sich in der Weingartner Liederhandschrift bereits im Wappen des Minnesängers Otto von Bottenloube (um 1200) ein quer halbierter Doppeladler. Der offizielle Brauch sah jedenfalls vor, dass der Kaiser (in seiner Eigenschaft als Herrscher über das Doppelwesen des Römischen Reiches deutscher Nation) den Doppeladler zum Symbol hatte, während er in seiner Eigenschaft als römischer König einen einfachen Adler im Wappen trug. Diese Regelung wurde im Jahr 1401 unter Kaiser Sigismund getroffen.

Der Adler erschien nun in verschiedener Form, zwar immer mit seitlich gedrehtem Kopf, doch mit gespreizten oder hängenden Flügeln, und bot damit einen aggressiven oder auch defensiven Eindruck - als Familienwappen, Städtewappen und Länderwappen. Am bekanntesten sind heutzutage das Bundeswappen, das auf das alte Wappen der Hohenstauferzeit zurückgeht, und der Wappenadler der USA, der auch auf Goldmünzen prangt (die nach ihm die Namen "Eagle" und "Double Eagle" tragen).

Das Schicksal des Doppeladlers ist verworrener und daher interessanter. Nach dem Untergang des Heiligen Römischen Reichs wurde er zum österreichisch-kaiserlichen Wappentier und verschwand mit dem Untergang der Donaumonarchie am Ende des Ersten Weltkriegs aus Mitteleuropa.

Doch hatte der Doppeladler schon lange vorher eine neue Heimat in Rußland erhalten, und zwar in direkter Nachfolge des alten Byzanz. Moskau als das "dritte Rom" hatte damit seinen Anspruch angemeldet, als Weltmacht anerkannt zu werden. Doch mit dem Untergang des Zarenreichs war auch hier der Doppeladler ausgestorben.

Er führt aber weiterhin ein zähes, verstecktes Leben auf der Flagge eines kleinen Staates. Sie haben es erraten, lieber Leser: Es ist Albanien.