Auch vor Störungen muß man sie bewahren

Zwei Jahre später stießen wir erneut auf Kaiseradler.

Kaiseradler

"Don Claus, mire! Alli en este alcornoque hay dos buitres negros!" flüsterte mir Pepin, unser Freund, ins Ohr und zeigte mit ausgestreckter Hand auf den gegenüberliegenden, mit Korkeichen bewaldeten Berghang. Tatsächlich, in der Krone einer mächtigen Korkeiche waren zwei dunkle Punkte zu erkennen. Es konnten Mönchsgeier sein, wie Pepin glaubte. Sie erschienen mir aber etwas zu schlank. Ein Blick durchs Fernglas, und ich war sicher: Vor uns saßen zwei erwachsene Kaiseradler!

Wir hatten die Art hier vermutet, nachdem wir in den letzten Tagen mehrfach einzelne Vögel gesehen hatten. In diesem ruhigen Teil der Sierra brüteten noch vier Paare Mönchsgeier, deren mächtige Reisighorste einige Kilometer voneinander entfernt waren. Wie der Kaiseradler hatten auch sie auf Korkeichen (Quercus suber) gebaut. Wir hatten Glück: Sowohl der Horst der Kaiseradler als auch ein Nest der Mönchsgeier lagen so, dass man ohne störende Vorbereitungen in angemessener Entfernung ein Versteck errichten konnte. In einem Fall bot sich eine kleine Höhle in einer Felswand an, die die Baumkronen überragte. Im anderen Fall konnte ein dichter Busch an einem Steilhang ein Tarnzelt aufnehmen.

Vögel

Die Verstecke waren rasch installiert, und wir zogen uns zurück, um aus der Ferne zu beobachten, was sich abspielen würde. Die Vögel nahmen keinerlei Notiz von den gut getarnten Zelten, zumal sie nicht zu nahe am Brutplatz waren. Beruhigt zogen wir ab. Nach zwei Tagen schlichen wir uns vor Tagesanbruch in eins der Verstecke, um dort den Tag zu verbringen. Die Vögel registrierten unsere Anwesenheit gar nicht; alle Verhaltensweisen liefen normal ab. Nur einmal wurde ein alter Kaiseradler am Horst aufgescheucht: durch einen vorübergehenden Hirten. Der hatte weder unser Versteck noch uns selbst bemerkt.

Im Adlerhorst waren zwei Jungvögel, etwa drei Wochen alt. Die ersten braunen Federn ragten aus dem weißen Flaum. Die jungen Adler hockten auf den Fersengelenken und beobachteten die Umgebung. Plötzlich reckten sie die Hälse und begannen mit gedehntem, anschwellendem "jiiip!" zu lahnen. Rauschend landete ein Altvogel auf dem Horst, in einem Fang ein Beutetier. Ein Blick durchs Fernglas zeigte: Es war eine junge Blauelster (Cyanopica cyanus). Der Altvogel nahm die Beute in den Schnabel, beugte sich vor und ließ sie vor den Jungen fallen. Diese stürzten sich darauf und zerrten die Blauelster hin und her. Der Altvogel saß unbeteiligt daneben, putzte sein Gefieder und strich wieder ab.

Die Jungen stritten sich weiter um die Beute. Schließlich riß sie einer an sich und trug sie im Schnabel zur anderen Seite des Horstes. Der unterlegene Jungvogel verfolgte sein Geschwister und biß es kräftig ins Hinterteil. Der Besitzende ließ sich aber nicht beirren, schüttelte den Plagegeist ab und begann, die Blauelster am Stück hinabzuwürgen. Nach mehreren Minuten äußerster Anstrengung gelang ihm das auch. Danach war der Jungvogel sehr erschöpft und hockte steif auf seinen Fersengelenken. Nach ein paar Minuten hatte er sich wieder erholt und lief flügelschlagend im Horst umher, wobei sein voller Kropf ihn fast vornüber fallen ließ.