Göttervater Zeus und der Mistkäfer

Einige der großen Helden - Menelaos und Odysseus, aber auch der Feind Hektor werden im Kampf mit Adlern verglichen. Fünfmal kommt in den Tierfabeln des Äsop der Adler vor.

Um zu zeigen, dass die Fabeln für ein anderes Publikum als die großen Epen und Dramen geschaffen wurden, erzählen wir eine, in der der Adler keine rühmliche Rolle spielt:

Ein von einem Adler verfolgter Hase floh in das Lager eines Mistkäfers und bat ihn um Schutz. Dieser wiederum bat den Adler, das Gastrecht zu heiligen und den Schützling nicht zu töten. Doch der Adler nahm den Hasen, fraß ihn und flog davon. Aber der Mistkäfer folgte ihm unerkannt bis zu seinem Nest. Dort wälzte er die Eier, die darin lagen, über den Rand, so dass sie in die Tiefe fielen und zerbarsten. Den Adler ärgerte das, und er baute ein neues, höher gelegenes Nest. Doch der Mistkäfer machte es wieder so, ohne dass der große Vogel es verhindern konnte. Da floh der Adler zu Zeus, legte ihm seine Eier in den Schoß und bat ihn um Schutz. Der Mistkäfer aber drehte eine Kugel aus Mist und legte sie dem Göttervater dazu. Zeus ekelte sich ganz menschlich und stand auf, um sein Gewand auszuschütteln. Dabei fielen auch die Eier seines Lieblingstieres zu Boden. Als der Mistkäfer Zeus erklärte, warum er so gehandelt habe, gab ihm der Göttervater recht und bat beide, sich zu versöhnen.

Vögel

Auch in Rom war der Adler zuallererst das Tier der Herrscher. Wenn ein römischer Kaiser starb, wurde ein Adler auf die Spitze seines Scheiterhaufens gesetzt. Er stieg in die

Luft, wenn der Körper des Kaisers von den Flammen verzehrt wurde, und trug dessen Seele in den Himmel. Von dem Augenblick an genoß der Tote die Ehren eines Gottes.

Am bekanntesten wurde der Vogel bei den Römern als Legionsadler. Während es zuerst vier militärische Symbole gab, darunter auch das Pferd und den Wolf, erhob Konsul Marius (um 100 v. Chr.) den Adler zum alleinigen Symbolträger des römischen Heeres. Kein solches Wappenzeichen ist vollständig erhalten. Daher ist man auf eine Beschreibung angewiesen, nach der ein goldener Adler in einem kleinen Tempel saß. Ein Mann trug ihn an einer langen Stange, die einen spitzen Fuß hatte, mit dem man sie in den Boden stecken konnte. Der Legionsadler zeigte die Flügel geöffnet und stand auf einem Blitz. Manchmal hielt er einen Siegeskranz im Schnabel. Da der Adler seit jeher ein weissagendes Tier war, galt es beim Ausmarsch eines Heeres als glückbringendes Omen, wenn ein Adler vor der Heeresspitze erschien. Daher soll der vorangetragene Adler den Truppen auf ihrem Weg zum Sieg als Glückszeichen voranschweben.

Von diesen Adlern gab es immer nur einen in einer Legion. Dort befand er sich in der Obhut der ersten Kohorte.

Wie es mit solchen Emblemen zu geschehen pflegt, so wurde auch der Adler in ein besonderes Zeremoniell und einen besonderen Ehrenkodex eingebettet. Eine Legion durfte nicht ohne ihn aus der Schlacht zurückkehren. Sonst starben alle übriggebliebenen Soldaten unter dem Henkersbeil. Die Legion wurde aus der Liste der römischen Legionen gestrichen, wie es etwa mit den Legionen 17 bis 19 nach der Schlacht im Teutoburger Wald geschah. Daß daher das Amt des Adlerträgers recht heikel war und keine andere Haltung als die der Verzweiflung oder Tollkühnheit zuließ, zeigt das Beispiel eines Adlerträgers von einer der drei verlorenen Legionen aus dem Teutoburger Wald. Als die Germanen bereits zwei der drei Adler erbeutet hatten, nahm der letzte Adlerträger sein goldenes Tier vor der Stange, steckte es in den Gürtel, konnte sich aber nicht retten, sondern versank mit ihm in den germanischen Sümpfen. Was blieb ihm anderes übrig?