Das Tier am Menschen zu messen...

Pelikane werden schon in der Kunst des Zweistromlandes Mesopotamien im 3. Jahrtausend v. Chr. abgebildet.

Rosapelikan

Ein Wandbild im Grabe des Haremhab, des letzten Pharaos der 18. Dynastie, der auch Nofretete und Echnaton angehören, zeigt einen knienden Sklaven, der zwei Körbe mit Pelikaneiern anbietet. Vier Pelikanweibchen, zu denen wohl das Männchen mit Stolz auf die geleistete Arbeit zurückblickt, ergänzen das Bild.

Seine spätere Berühmtheit verdankt der Vogel einer eigenartigen Erklärung seines Charakters und seiner Lebensgewohnheiten. Das theoretische Verhältnis des Menschen zu den Tieren war ja im Laufe der Geschichte starken Wandlungen unterworfen. Die wissenschaftliche Beobachtung der Tierwelt stand nur bei den alten Griechen im Vordergrund. Doch selbst in der Forschung schließt sich der Mensch selbst nie ganz aus: Das Tier wird für seine Zwecke gebraucht. Daher ist es verständlich, dass es oft an menschlichen Eigenschaften gemessen wird.

Vögel

Diese menschliche Schwäche, das Tier am Menschen zu messen, hat im nichtwissenschaftlichen Bereich stets im Vordergrund gestanden. Namentlich Eigenschaften aus dem menschlichen Bereich der Moral werden dem Tier zugeschrieben: Der Bär ist stark, der Adler kühn, das Lamm fromm, der Pfau stolz und die Taube friedlich. Die ganze Wappenkunde ist ohne diese Tiersymbolik nicht denkbar. Die dem Tier zugeschriebenen Eigenschaften gehen manchmal von wirklichen Gegebenheiten aus. doch kommen spätestens bei der Taube auch dem friedfertigsten Menschen einige Zweifel.

Diese Tiersymbolik wurde nun in der frühen Zeit des Christentums, wahrscheinlich im 2. Jahrhundert, auch der Religion dienstbar gemacht. Der griechische "Physiologus", vermutlich in Alexandria entstanden, einer der großen Bestseller des Mittelalters und in sämtliche Sprachen der damaligen Welt vom Arabischen bis ins Isländische übersetzt, stellt diese Beziehung zwischen Religion und Tierwelt her. Jeder Abschnitt dieses Buches beginnt mit der naturgeschichtlichen Beschreibung eines Tiers und bezieht dann seine Eigenschaften und sein Verhalten auf Christus und das Heilsgeschehen.

Die Absicht, die dahintersteckt, ist wohl, den einfachen Menschen das Heilsgeschehen durch Beispiele aus der Tierwelt zu verdeutlichen, aber es schwingt auch ein alter magischer Glaube an die Mächte des Animalischen mit sowie auch besonders die christliche Vorstellung von der Durchdringung der geschaffenen Welt durch Geist und Allmacht Gottes.