Er ist nicht nur Mäusejäger

Robert März hat an fünf Uhuplätzen in der Sächsischen Schweiz im Verlauf von 19 Jahren folgende Beuteliste aufgestellt:

Vögel
Uhugewölle

1 Hauskatze, 2 Jungfüchse, 1 Jungdachs, 38 Igel, 7 Maulwürfe, 6 Wiesel, 1 Fledermaus, 1 Spitzmaus, 72 meist halbwüchsige Hasen, 37 Kaninchen, 54 Eichhörnchen, 10 Hamster, 2 Siebenschläfer, 4 Wanderratten, 136 Waldmäuse, 42 Echte Mäuse, 3 Brandmäuse, 1738 Feldmäuse, 9 Erdmäuse, 16 Wasserratten, 2 Waldwühlmäuse, 2 Bisamratten, 14 Grasfrösche, 1 Erdkröte, 20 Dohlen, 3 Saatkrähen, 82 Nebelkrähen, 11 Eichelhäher, 12 Stockenten, 7 Haustauben, 7 Hohltauben, 1 Turteltaube, 13 Ringeltauben, 1 Haushuhn, 2 Auerhennen, 13 Fasanen, 54 Rebhühner, 11 Wanderfalken, 14 Turmfalken, 2 Baumfalken, 7 Mäusebussarde, 1 Wespenbussard, 1 Habicht, 1 Sperber, 4 Jung-Uhus, 1 Sumpfohreule, 20 Waldohreulen, 18 Waldkäuze, 1 Rauhfußkauz, 1 Schleiereule, 2 Steinkäuze, 1 Zwergtaucher, 1 Grünfüßiges Teichhuhn, 2 Schwarzspechte, 12 Drosseln, 4 Amseln, 1 Misteldrossel, 1 Star, 8 Lerchen und 33 Kleinvögel.

Man sieht, dass man sich den Uhu nicht nur als schlichten Mäusejäger vorstellen darf, wenn er auch diese unbeliebten Kleinnager zu Tausenden aus dem Verkehr zieht; der König der Nacht langt schon auch mal dort hin, wo der jagende Mensch glaubt, die Alleinrechte zu haben. Als hauptsächliche Uhubeute stellen sich außer Mäusen und Ratten die Igel, Eichhörnchen, Hasen, Wildkaninchen und Krähen heraus. Wenn sich im Uhurevier ein Wasserlauf mit Bläßhühnern und anderem Wassergeflügel befindet, holt er sich auch hiervon einen Anteil.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war der Uhu in Deutschland noch weit verbreitet, und die große Eule gehörte (zusammen mit der Wildkatze) zu der "normalen" Jagdbeute nicht nur in Gebirgsrevieren, sondern auch im Tiefland. Starke Bejagung in der damaligen Zeit führte zu einer Verringerung des Uhubestandes in Deutschland bis zum Jahr 1900 auf etwa 200 Paare; er sank am Ende des Ersten Weltkriegs auf unter 100 Paare ab, erholte sich dann aber dank der Schutzbestimmungen wieder auf etwa 110 Paare im Jahr 1938. In der Zeit nach 1945 hielt sich der Uhubestand etwa auf dieser Höhe, doch setzte um 1955 ein erneuter Rückgang ein, der 1965 den alarmierenden Tiefpunkt von 31 Paaren erreichte. Mitteldeutschland meldete zu dieser Zeit ebenfalls einen Bestand von 31 Uhupaaren.

In den Jahren zwischen 1910 und 1937 waren im damaligen Deutschen Reich 60 Uhus ausgesetzt worden. Heute weiß man, dass diese Wiedereinbürgerungsversuche schon an der geringen Zahl der ausgesetzten Vögel scheitern mussten, mehr aber noch wegen ungenügender Vorbereitung der Großeulen für das Schlagen lebender Beute, wegen Unkenntnis der im Biotop vorkommenden Beutetiere und dem zu plötzlichen Aussetzen der Uhus. Es hat wenig Sinn, einfach mit einigen Pappkartons voller Gehege-Uhus in den Wald zu fahren und die Vögel dort fliegen zu lassen. Die erfolgversprechende Ausbürgerung erwachsener wie junger Uhus ist komplizierter, erfordert mehr Geld und viel Idealismus von jenen Leuten, die sich mit Geduld damit befassen.

Die zweite Wiedereinbürgerungswelle von Uhus in die bundesdeutsche Wildbahn begann 1956 in Baden-Württemberg. Vom Jahr 1965 an fanden auch in Niedersachsen, in Rheinland-Pfalz und in Bayern umfangreiche Versuche statt; es haben sich Vogelschutzwarten, Naturschutzbehörden, Jagdkreise, aber auch interessierte Privatleute daran beteiligt.